„Deutschland braucht mehr Sozialpatriotismus“: ZUERST!-Interview mit dem AfD-Sozialpolitiker Stephan Bothe

23. Oktober 2019
„Deutschland braucht mehr Sozialpatriotismus“: ZUERST!-Interview mit dem AfD-Sozialpolitiker Stephan Bothe
National
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Foto: Symbolbild

ZUERST!: Herr Bothe, Sie haben mit Ihrem Konzept „Mit Sozialpatriotismus zur Sozialstaatsreform“ in der AfD Aufsehen erregt. Was war Ihre Motivation, dieses Konzept zu verfassen?

Bothe: Ich wollte zuallererst eine Diskussion in der Partei anstoßen, die ich für überfällig halte. Die Frage, ob sich die AfD als soziale Partei versteht, ist für mich eine der zentralen Zukunftsfragen für den weiteren Erfolg unserer Partei. Die innerparteiliche Debatte über eine stärker sozial ausgerichtete Leitlinie kommt mir bislang leider zu kurz.

ZUERST!: Trifft Ihr Ansatz, soziale Themen und Reformansätze für den Sozialstaat mit einer gehörigen Portion Patriotismus zu garnieren, denn auf Resonanz inner- und außerhalb der Partei?

Bothe: Diese Frage kann ich klar bejahen. Als aus der Pflegepraxis kommender Sozialpolitiker habe ich mir dieses politische Themenfeld als niedersächsischer Landtagsabgeordneter auf die Fahnen geschrieben. Ob Pflegenotstand, Ärztemangel oder Patientenversorgung, aber auch Arbeitslosengeld, Müttergehalt oder Mieterschutz sind Ansinnen einer Volkspartei mit dezidiert sozialem Anspruch. Bei Vorträgen in ganz Niedersachsen, in Diskussionen in sozialen Netzwerken oder auch am Rande von Infoständen: immer wieder tritt der sogenannte „kleine Mann“, also der einfache Bürger an uns heran und erkundigt sich danach, was die AfD genau für ihn und seine Belange tut. Und diese Belange sind mehrheitlich sozialpolitischer Natur. Und auch innerhalb der AfD brennt es den Parteikollegen beim Thema Soziales unter den Nägeln. Natürlich gibt es auch Kritiker meines Konzepts, doch im Zentrum steht, daß überhaupt einmal eine grundsätzliche Diskussion innerhalb der AfD angestoßen wird.

ZUERST!: Wird Ihr Konzept in der Partei überhaupt gehört?

Bothe: Es ist mein erklärtes Ziel, die unter dem Begriff „Sozialpatriotismus“ zusammengefaßte Sozialprogrammatik in den Programmfortentwicklungsprozeß der AfD einfließen zu lassen. Über Landes- und Bundesfachausschuß bin ich bestrebt, zentrale Elemente meines Ansatzes in die offizielle Parteiprogrammatik einzubringen. Ich bin guter Dinge, innerhalb unserer Partei genug Befürworter einer stärker sozialen Ausrichtung zu wissen und weitere Mitstreiter gewinnen zu können.

ZUERST!: Widmen wir uns den Inhalten zu. Was sind die Schwerpunkte Ihrer sozialpatriotischen Ausrichtung?

Bothe: Einer der wichtigsten Punkte ist für mich der soziale Ausgleich zugunsten von Geringverdienern. Eine Bäckereifachverkäuferin oder eine Krankenschwester sind für mich genauso Leistungserbringer in der Gesellschaft wie Ingenieure oder Manager. Dies gilt es, stärker zu berücksichtigen. Geringe Einkommen sind auch deshalb gering, weil sie durch unverhältnismäßig hohe Abgaben belastet sind. Das muß sich ändern. Natürlich müssen aber auch die Fehlanreize bei der Frage der Einwanderung außerhalb des staatlich geförderten Asylmißbrauchs korrigiert werden. Bereits vor dem Jahr 2015 gab es schon lange große Probleme aufgrund des Mißbrauchs des deutschen Sozialsystems durch eine große Anzahl von Wirtschaftsmigranten. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf.

ZUERST!: Was müßte konkret getan werden?

Bothe: Vor allem brauchen wir eine Bundesregierung, die sich wieder an geltendes Recht hält und nicht vornehmlich damit beschäftigt ist, massenhaft erfolgte illegale Einwanderung zu legalisieren und „Flüchtlinge“ mit einem dauerhaften Bleiberecht zu belohnen. Anstatt Milliarden für die Alimentierung zunächst nicht Bleibeberechtigter und später auf dem Arbeitsmarkt nicht Vermittelbarer auszugeben, sollten mit diesem Geld besser einkommensschwache deutschen Familien gefördert werden. Abgelehnte Asylbewerber und Migranten außerhalb von Asylverfahren, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, haben Deutschland unverzüglich zu verlassen. Sozialleistungen für diesen Personenkreis sind hierauf reduzierend abzustimmen.

ZUERST!: Heftige Gegenwehr löste die von Ihnen vorgeschlagene „Deutschlandabgabe“ aus, die für manchen Kritiker eine enteignende Vermögenssteuer darstellt. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?

Bothe: Mir geht es nicht darum, die Programmatik der AfD in Frage zu stellen. Es geht um die Erweiterung des Blickwinkels. Die wachsende Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen in Deutschland vertieft nicht nur stetig die Kluft zwischen einzelnen Schichten der Gesellschaft, sie widerspricht auch dem grundgesetzlich verankerten Sozialstaatsprinzip. Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der Länder, in denen Vermögen nur wenig besteuert wird. Eine Untersuchung der OECD im Jahre 2010 ergab, daß Deutschland – mit nur 0,6% Steuern auf das Vermögen (Erbschafts- Schenkungs- Grundsteuer) in Prozent des Bruttoinlandsproduktes – eine der niedrigsten Besteuerungen weltweit hat. In den USA und in Großbritannien werden ca. 3 bis 4% Steuern auf Vermögen erhoben. Und schließlich ergab eine Forsa-Umfrage im Jahre 2012, daß 77% der Deutschen für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sind. Letztlich obliegt es aber den Mitgliedern unserer Partei, darüber zu entscheiden, wohin die Reise geht und welche Komponenten meines Konzepts möglicherweise Eingang in die Programmatik finden werden. In erster Linie ging es mir darum, einen Impuls zu geben und überhaupt einmal eine innerparteiliche Debatte anzustoßen.

ZUERST!: Warum ist Ihrer Meinung nach eine sozialpatriotische Komponente für die Programmatik der AfD so wichtig?

Bothe: Weil ich der festen Überzeugung bin, daß die AfD im Westen unseres Landes nur dann nachhaltig Erfolg haben wird, wenn sie auch für die Belange der sogenannten „kleinen Leute“ einsteht. Es liegt hier nicht nur ein erhebliches Wählerpotenzial für die AfD brach, es geht auch um die Weichenstellungen für eine sozial gerechte, ausgleichende und unsere Bürger einende Gemeinschaft. Denn sollte klar sein: Deutschland braucht mehr Sozialpatriotismus!

ZUERST!: Vielen Dank für das Gespräch.

Stephan Bothe (Jg. 1985) ist seit 2017 AfD-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen. Seit 2016 führt er den AfD-Kreisverband Lüchow-Dannenberg/Lüneburg und ist Abgeordneter im Kreistag zu Lüneburg. Bothe sitzt für die AfD-Landtagsfraktion im Sozialausschuß des Niedersächsischen Landtags.

Die Broschüre ist abrufbar unter: https://stephan-bothe.de/wp-content/uploads/2019/09/sozialbroschuereA5_online.pdf

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