Durchsichtiges PR-Manöver: Moskau reaktiviert sowjetische Katyn-Greuelpropaganda

17. April 2024
Durchsichtiges PR-Manöver: Moskau reaktiviert sowjetische Katyn-Greuelpropaganda
Geschichte
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Foto: Symbolbild

Moskau/Berlin/Warschau. Die Massaker von Katyn wurden jahrzehntelang als besonders grausiges Geheimnis der früheren Sowjetunion gehütet. Zwischen Oktober 1939 und Frühjahr 1940 wurden in mehreren Waldarealen bei Katyn, Smolensk, Kalinin und Charkow mindestens 11.000, möglicherweise bis zu 25.000 polnische Kriegsgefangene von Schergen des NKWD, des sowjetischen Innenministeriums, ermordet. Die Massengräber wurden 1943 nach Hinweisen aus der russischen Bevölkerung von der Wehrmacht entdeckt, die daraufhin großangelegte Exhumierungen vornehmen ließ.

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In den darauffolgenden Monaten konnten anhand der sterblichen Überreste, bei den Toten aufgefundener Dokumente und persönlicher Gegenstände tausende Ermordete identifiziert werden. Die deutschen Dienststellen luden zur Inaugenscheinnahme der grausigen Funde nicht nur das Rote Kreuz, sondern auch Vertreter der polnischen Exilregierung in London ein. Der Leiter der von den Deutschen eingesetzten Ärztekommission, ein ungarischer Mediziner, konnte im Mai 1943 einer internationalen Kommission, an der sich auch das Internationale Rote Kreuz beteiligte, seinen Abschlußbericht übergeben. Die Kommission zweifelte die sowjetische Täterschaft an den Massakern nicht an.

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Weil Stalins Sowjetunion aber zu den Siegermächten gehörte und mit den Westalliierten im gleichen Boot saß, war die Wahrheit über das Verbrechen nach dem Krieg nicht opportun. Auch die Westmächte verbreiteten im besiegten Nachkriegsdeutschland die sowjetische Propagandaversion, es habe sich um ein „Nazi-Verbrechen“ gehandelt. Die Sowjets selbst präsentierten im Nürnberger Prozeß gefälschte Dokumente, über die das Tribunal 1946 verhandelte.

Damit aber nicht genug, scheuten die Sowjets nicht davor zurück, wegen der Morde von Katyn 1945/46 einen monströsen Schauprozeß gegen elf deutsche Offiziere und Soldaten vom Zaun zu brechen, die an den Ereignissen völlig unbeteiligt waren. Nichtsdestotrotz wurden die Angeklagten allesamt zum Tod durch den Strang verurteilt und – unschuldig – hingerichtet.

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Erst 47 Jahre nach den Geschehnissen, im April 1990, räumte die sowjetische Regierung offiziell ein, daß das NKWD die rund 15.000 polnischen Offiziere ermordet habe. In Katyn wurden die Gedenktafeln, die dort noch immer die Deutschen des Verbrechens bezichtigten, entfernt. Zwei Jahre später übergab die neue russische Regierung alle einschlägigen Dokumente zum Fall Katyn offiziell der Weltöffentlichkeit. 1997 schließlich wurden die zu Unrecht verurteilten und hingerichteten Wehrmachtangehörigen formal rehabilitiert. Der Fall schien abgeschlossen, der historischen Wahrheit Genüge getan.

Umso befremdlicher ist, daß die russische Regierung vor dem Hintergrund des neuen Ost-West-Konflikts jetzt offenbar die alten Sowjet-Propagandalügen zu reaktivieren versucht. Die für das Gebiet Smolensk zuständige Abteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB will laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur TASS dieser Tage die „Fälschung“ des Falles Katyn durch die deutschen Geheimdienste enthüllt haben. Sogar ein ganzes Archiv mit Dokumenten zur angeblichen Erschießung der polnischen Gefangenen „durch die Nazis“ soll dabei aufgetaucht sein, das TASS einsehen konnte.

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Die Geschichte ist so durchsichtig wie plump: demnach soll der Gerichtsmediziner Prof. Gerhard Buhtz, der seit 1941 die deutsche „Sonderkommission zur Aufdeckung bolschewistischer Greueltaten und völkerrechtswidriger Handlungen“ leitete, die Ergebnisse mindestens zweier vor Ort durchgeführter Analysen gefälscht haben. Dazu soll es im „Archiv“ des FSB sogar eine Aktennotiz vom Buhtz´ Laborant, einem Obergefreiten Schneider, geben, der mit der chemischen Analyse eines in einem Grab aufgefundenen Messers beauftragt worden sei. Um zu dokumentieren, daß das Messer viel länger im Boden gelegen habe, als Schneiders Analyse ergab, habe Buhtz die Eintragung eines gefälschten höheren Eisenoxid-Wertes angeordnet. Dazu die angebliche Aussage Schneiders: „Nach dieser Fälschung von Buhtz wurde für mich klar, daß die Polen nach der Besetzung von Smolensk von den Deutschen erschossen wurden.“

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In ähnlicher Weise habe Buhtz in einem weiteren Fall auch die Ergebnisse der Analysen von Uniformstoffen aus dem Grab gefälscht. Praktischerweise gibt es auch hierzu die Aussage eines Laborgehilfen namens „Schmitz“. Dieser soll laut den FSB-Dokumenten seine „feste Überzeugung“ geäußert haben, „daß die Polen im Jahr 1941 von den Deutschen erschossen wurden“.

Das FSB-„Archiv“ läßt keine Wünsche offen: es enthält außerdem die Aussagen zweier polnischer Zeugen, die von „mindestens sieben Fällen“ berichten, wonach in Smolensk „Personen“ erschossen worden seien, weil sie erklärt hätten, die Sowjets seien nicht an den Massakern beteiligt gewesen. Zuguterletzt wird auch noch zwei russischen Zeugen, die der deutschen Untersuchungskommission während des Krieges von den Erschießungen des NKWD berichteten, handlich attestiert, sie seien „vom SD speziell vorbereitet worden“.

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Nachdem die sowjetische Regierung höchstselbst 1990 die Verantwortung für die Massaker übernahm, müßte über die nunmehrigen FSB-Enthüllungen eigentlich nicht viel Aufhebens gemacht werden – ihre propagandistische Absicht im neuen Ost-West-Konflikt liegt allzu klar zutage: nachdem die Deutschen zuvor ein halbes Jahrhundert lang die Schuldigen waren und danach ein Vierteljahrhundert nicht, sollen sie nun offenbar wieder zu den „Bösen“ umgefälscht werden.

Zumindest das Motiv des neuerlichen Rollenwechsels ist nachvollziehbar – die russischen Propagandakrieger haben es sich direkt von den „Nazis“ abgeschaut. Diese schlugen seinerzeit aus dem Umstand, daß es sich bei den in Katyn Ermordeten um Polen handelte, kräftig propagandistisches Kapital und versuchten die offizielle sowjetisch-polnische Waffenbrüderschaft zu erschüttern. Moskau versucht jetzt umgekehrt genau denselben Kniff: wenn plötzlich die Deutschen tausende polnischer Gefangener auf dem Gewissen haben, wäre dies für die aktuelle polnisch-deutsche NATO-Partnerschaft womöglich ebenfalls ein herber Dämpfer. Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Es muß ja nicht wieder 50 Jahre dauern, bis die Kreml-Lüge erneut auffliegt. (rk)

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4 Kommentare

  1. Ali Baba sagt:

    Die Deutschen konnten das also gar nicht gewesen sein! Ja, das stimmt.!!

  2. Mark sagt:

    WER hinter den damaligen Greueltaten steckt ist hinreichend bewiesen. Polen waren keine Freunde der Deutschen und auch keine Freunde der Sowjetunion, folglich zählten sie schon mal zu den potentiellen Feinden. Und die damaligen Sowjets unter Stalin fackelten grundsätzlich nicht lange, schon gar nicht wenn es darum ging, sich potentielle Feinde vom Hals zu schaffen. Der NKWD war für diese Drecksarbeit wie geschaffen – Menschenleben galten in deren Machtbereichen ohnehin so gut wie nichts.

    Interessant wäre, was Russland jetzt mit diesen jetzt selbst verdrehten Geschichten tatsächlich bezwecken will.

  3. Scripted Reality sagt:

    Das ist ein riesiges Eigentor der Russen und besonders auch für RT, die sich nun zurecht des Vorwurfs der Propaganda stellen müssen.

    „Es wird niemals soviel gelogen wie vor einer Wahl, während eines Krieges und nach der Jagd“.
    -Bismarck-

  4. Bernd Sydow sagt:

    Die Wahrheit ist ganz einfach:
    Als die etwa 25.000 polnischen Offiziere im Wald bei Katyn und anderswo erschossen wurden, waren die deutschen Wehrmachts- und Waffen-SS-Einheiten von diesen
    Waldstücken noch weit entfernt. Die Deutschen konnten das also gar nicht gewesen sein!

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