Ukraine-Krieg: Die entscheidende Frage am 15. Kriegstag: Was können die ukrainischen Verteidiger dem russischen Ansturm entgegensetzen?

10. März 2022
Ukraine-Krieg: Die entscheidende Frage am 15. Kriegstag: Was können die ukrainischen Verteidiger dem russischen Ansturm entgegensetzen?
International
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Foto: Symbolbild

Am 14. Kriegstag veröffentlichten wir eine taktische Lagebeurteilung des Militärexperten und -historikers Hagen Eichberger über die bevorstehende Schlacht um Kiew. Eichberger skizzierte hierin, daß sich die russische Taktik zur Eroberung Kiews an der konventionellen Theorie des Kampfs im überbauten (urbanen) Gelände orientieren wird. Heute folgt eine Analyse der ukrainischen Kampfkraft und Verteidigungsmöglichkeiten Kiews.

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Zuvor ein kurzer Überblick über die militärische Lage am Morgen des 10. März

„Ukrainische lokale Behördenvertreter haben in der Nacht zu Donnerstag aus mehreren Städten Beschuss gemeldet. Russische Flugzeuge sollen die Umgebung der nordostukrainischen Großstadt Sumi bombardiert haben. In der Stadt Ochtyrka südlich von Sumi seien erneut Wohngebiete beschossen worden. Es gebe zudem Informationen, dass dort auch eine Gasleitung getroffen worden sei. Der Bürgermeister der südukrainischen Stadt Mikolajiw berichtete ebenso von Beschuss durch Mehrfachraketenwerfer, aus nördlicher Richtung kommend. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen“, faßt die NZZ zusammen.

Ferner gehen russische Truppen dazu über, die südukrainische Großstadt Mykolajiw einzukesseln. Angriffe gebe es auch in der Oblast Charkow in der Ostukraine sowie auf die Stadt Isjum mit den vorgelagerten Dörfern Petrivke und Hruschuwacha. Dem Lagebericht des ukrainischen Generalstab ist zu entnehmen, daß es auch in den Städten Petrowsk im Norden, Isjum und Hruschuwakha im Osten neue russische Angriffe gab. Sumy und Ochtyrka im Nordosten sowie in den Regionen Donezk und Saporischschja im Südosten waren ebenso Ziel russischer Offensiven.

In der Nacht vermeldete Washington zwei „Patriot“-Raketensysteme von Deutschland nach Polen verlegt zu haben. Diese sollen die NATO-Ostflanke in Polen gegen mögliche russische Aggressionen schützen. Das Raketenabwehrsystem kann Flugzeuge, Hubschrauber und vor allem Raketen noch in großer Höhe eliminieren.

„Die ukrainische Armee soll binnen 24 Stunden sechs Mal Ziele in der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk (LNR) beschossen haben. Das berichtete die russische Agentur Tass mit Berufung auf Vertreter der LNR am Donnerstag“, berichtet die F.A.Z.

Deutschland hat bislang folgende militärische Güter an die Ukraine geliefert:

– 500 Panzerfäuste plus 1000 Schuß Munition
– 500 Luftabwehrraketen vom Typ „Stinger“
– 14 gepanzerte Fahrzeuge
– 23.000 Schutzhelme
– 50.000 Essenspakete

„Der Ukrainekrieg hat zu einem Einsatz der Deutschen Marine in einem bisher unbekannten Umfang geführt. Wie der künftige Inspekteur der Marine, Jan Christian Kaack, sagte, sind insgesamt 24 Schiffe im Mittelmeer und auf der Ostsee im Einsatz, darunter drei Fregatten. (…) So stehe in der Ostsee eine Fregatte mit einem Luftraum-Weitbereichsradar, und Minenabwehreinheiten seien nach vorne gebracht worden.“ (FAZ)

In der Nacht zu Donnerstag wurde weiter gemeldet, daß die russischen Streitkräfte die Einkesselung Kiews weiter vorantrieben, die „Schlacht um Kiew“ rücke näher, so der ukrainische Generalstab. Rußland setze seine „offensive Operation“ zu Einschließung der Hauptstadt massiert fort. Binnen weniger Tage hat sich die Frontlinie rund um die ukrainische Hauptstadt deutlich verschoben: Stand die russische Armee vor fünf Tagen noch rund hundert Kilometer nordöstlich von Kiew entfernt, näherte sie sich am Mittwoch der an Kiew grenzenden Stadt Browary, wie AFP-Reporter berichteten.

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Was können die ukrainischen Verteidiger dem russischen Ansturm auf Kiew entgegensetzen?

Eine Analyse von Hagen Eichberger, Deutsche Militärzeitschrift (DMZ)

In der gestrigen Lagebeurteilung ging ich auf die Möglichkeiten der russischen Kriegsführung im urbanen Gelände Kiews ein und skizzierte das von mir angenommene Vorgehen der Streitkräfte Moskaus in der möglichen „Schlacht um Kiew“. Heute werfe ich einen Blick auf die militärischen Möglichkeiten, die den Verteidigern Kiews zur Verfügung stehen.

Im Szenario, wonach nach der Bildung von Brückenköpfen an den Hauptachsen Kiews der massierte Vorstoß der russischen Armee ins Stadtinnere erfolgt, wird die Hauptlast des Häuser- und Straßenkampfs von der russischen Infanterie im Verbund mit Kampfpanzern getragen werden. Feuerkraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit spielen hier eine entscheidende Rolle. Die Kampfpanzer leisten außerdem den Infanteristen die nötige Feuerunterstützung mit Kanone und Maschinengewehr. Die Verteidiger sind gezwungen in Deckung zu bleiben, die Angreifer können weiter vorrücken. Außerdem werden Panzergranaten eingesetzt, um Barrikaden aus dem Weg zu räumen, ebenso umgebaute Panzer mit Räumschaufeln. Auch die Breite der Kiewer Straßen, vor allem der Hauptachsen spielt den Russen in die Hände. Ziel wird es sein, mit einem schnellen und massierten Stoß der Panzerwaffe auf allen Hauptachsen Kiews ins Stadtinnere vorzupreschen. Die Hauptlast des Angriffs werden die russischen Verbände, die aus dem Nordosten kommen, tragen, wo die Russen die stärkten Kräften gesammelt haben. Das Eindringen aus dem Südosten und Osten in das im Stadtinnern gelegene Regierungsviertel ist hingegen kompliziert, weil zuvor der Fluß Dnirpo überquert werden muß. Bereits jetzt sind einzelne Brücken von der ukrainischen Armee zerstört worden, weitere könnten folgen. Für einen Panzerstoß sind tatsächlich nur sechs der Brücken überhaupt geeignete, wovon wiederum nur drei ins Stadtzentrum führen. Das Errichten einer Schwimmbrücke durch Pionier ist hingegen nicht möglich, ohne unter ukrainisches Feuer zu geraten. Dies erklärt die Konzentration und Massierung der russischen Truppen im Nordwesten der Stadt, von wo aus der Panzerstoß ohne Brücken-/Dniproüberquerung geführt werden kann.

Welche Mittel stehen nun den Verteidigern zur Verfügung? Zunächst einmal sind die Ukrainer – abgesehen von der höheren Moral, die mit der Verteidigung der Heimat einhergeht – im überbauten, urbanen Gelände im Vorteil. Bei geschickte taktischer Planung benötigen sie zehn Mal weniger Kampfkraft als die Angreifer. Voraussetzung ist allerdings ein planmäßig und koordinierter Abwehrkampf, bei dem die verschiedenen Verteidigungsabschnitte und -stellungen aufeinander abgestimmt und unterstützend operieren.

Entscheidend für den Straßen- und Häuserkampf sind die Panzersperren, errichtet aus Panzerspinnen, Stacheldraht, unbrauchbaren Fahrzeugen wie Lastwagen oder Busse. In Verbindung mit Sprengfallen und Minen kann der Vormarsch den Russen sehr stark erschwert werden. Wenn es den Ukrainern gelingt, die russischen Panzer an diesen Sperren zu stoppen, können sie aus ihren Deckungen mit Panzerabwehrwaffen feuern und den russischen Angreifern hohe Verluste beibringen. Auch entstehen in den Straßenschluchten Möglichkeiten, von höheren Gebäuden auf die vorrückenden Panzer und Soldaten „von oben“ einzuwirken. Die Feuerkraft der Panzer kann sich hier nicht als Vorteil entfalten.

Des weiteren kann davon ausgegangen werden, daß die ukrainischen Streitkräfte für die symbolträchtige Verteidigung ihrer Hauptstadt einige ihrer aus der Türkei stammenden Kampfdrohnen „Bayraktar“ in der Hinterhalt behalten haben und für die Ausschaltung von Panzern bei der „Schlacht um Kiew“ bereithalten. Ebenso können von mir angenommene russische Versuche, Luftlandetruppen mittels Helikoptern in der Stadt abzusetzen, mit Stinger-Abwehrraketen leicht abgewehrt und bekämpft werden, die russischen Verluste wären sehr hoch.

Zusammenfassend überwiegen bei der Verteidigung Kiews die taktischen, psychologischen und waffentechnischen Vorteile für die ukrainischen Streitkräfte. Die Einnahme Kiews müßte Moskau mit einem hohen Blutzoll erkaufen.

Statt einer Einnahme stehen Rußlands Führung zwei Alternativen zur Verfügung: Ausufernde Flächenbombardements mit der Folge einer fast kompletten Zerstörung des Stadtkerns. Da im Gegensatz zum Tschetschenienkrieg ein derartiges Vorgehen an der Heimatfront nicht verkauft werden könnte, da die Ukrainer als „Kleinrussen“ auch bei den Russen als „Brüder“ gesehen werden, ist derzeit nicht davon auszugehen, daß sich Putin hierfür entscheidet. Die zweite Alternative ist die vollständige Abriegelung und Isolierung der Stadt, um die Ukraine zur Aufgabe zu zwingen.

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