Ukraine-Krieg: Zur militärischen Lage am 14. Kriegstag – Analyse von Militärexperte Hagen Eichberger (aktualisiert)

9. März 2022
Ukraine-Krieg: Zur militärischen Lage am 14. Kriegstag – Analyse von Militärexperte Hagen Eichberger (aktualisiert)
International
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Foto: Symbolbild

Der 13. Kriegstag war geprägt von der Einrichtung humanitärer Fluchtkorridore, größere Gefechte wurden nicht geführt, die militärische Lage blieb weitgehend konstant. Der beginnende 14. Kriegstag ist geprägt von einem Abfallen der Temperaturen, eine Kaltfront wird erwartet. In Mariupol fiel bereits am Dienstag Schneeregen, in Charkow und Kiew werden zweistellige Minustemperaturen erwartet. Dies ist ein Umstand, der den russischen Angreifern entgegenkommt. Der Vormarsch ist auf den gefrorenen Straßen für die gepanzerten Fahrzeuge schneller möglich, gleichzeitig wird die Lage für die eingekesselten Zivilisten und Verteidiger in Städten wie Kiew, Charkow oder Mariupol noch schwieriger. In der Nacht zu Mittwoch kam es zu neuerlichen Luftangriffen Rußlands. Betroffen waren vor allem die Städte Malyn (im Gebiet Schytomyr), Ochtyrka bei Sumy sowie die hart umkämpfte Großstadt Charkow.

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Zur militärische Lage am 9. März, Schwerpunkt: Schlacht um Kiew

Ich gehe davon aus, daß innerhalb der nächsten Tage die russischen Streitkräfte ihre Kräfte um Kiew weiter gesammelt und zusammengezogen haben werden, um den Stoß in Richtung Stadtzentrum zu wagen. Dies wird mit Luftangriffen und/oder artilleristischen Schlägen vorbereitet werden, ehe sich die russischen Einheiten in den Straßen- und Häuserkampf begeben. Nichtsdestoweniger scheut die russische Militärführung den Kampf um urbanen Gebiet nicht. Die ukrainischen Verteidiger mögen gestaffelte Stellungssysteme zur Verteidigung geschafft haben, die die Eroberung Kiews nur mit dem Einsatz einer deutlichen Überzahl an Mensch und Material möglich machen werden. Ein Umstand, den das russische Militär natürlich einkalkuliert und plant.

Es ist weiter davon auszugehen, daß sich die russische Taktik zur Eroberung Kiews an der konventionellen Theorie des Kampfs im überbauten (urbanen) Gelände orientieren wird. Dies bedeutet: Vorgehen in fünf Schritten: 1. Aufklärung, 2. Einkesselung und Isolierung der Stadt, 3. Bildung von Brückenköpfen, 4. massierter Angriff, 5. Sicherung und Säuberung.

Punkt 1 ist bereits in den Anfangstagen des Ukraine-Kriegs geschehen. Luftaufklärung, elektronische Aufklärung und Aufklärungsfahrzeuge in den Außenquartieren von Kiew wurden eingesetzt, um Standorte der ukrainischen Einheiten zu lokalisieren.

Punkt 2 ist derzeit in Vorbereitung. Russische Einheiten schreiten damit voran, die wichtigen Straßenachsen zu besetzen, um Kiew vom Rest des Landes zu isolieren. Derzeit ist nur noch der südliche Teil Kiews (westlich des Flusses Dnipro) vollumfänglich unter ukrainischer Kontrolle. Die sichtbaren Vorstöße Rußlands aus dem Osten und Norden richten sich eindeutig gegen die Zugänge nach Kiew.

Die Punkte 3 bis 5 stehen noch bevor. Bei der Bildung von Brückenköpfen (Punkt 3) würden am Stadtrand – auf den Hauptachsen – Stellungen erkämpft und als Brückenköpfe befestigt. Diese dienten dann als Ausgangspunkt für den massierten Angriff/Stoß (Punkt 4) ins Stadtinnere. Wir sehen derzeit die Bildung von Brückenköpfen im Nordwesten, Versuche östlich des Dnipro und im Südosten laufen. Der eigentliche Vorstoß – also Punkt 4 – würde mit massivem Feuereinsatz konventioneller Panzerhaubitzen und Luftschlägen vorbereitet, ehe Infanterie und Panzer in die Stadt vorrücken. Das weitere Vorgehen hängt dann von den Angriffszielen der russischen Militärführung ab. In der taktischen Theorie durchbrechen die Angreifer die Abwehrstellungen, stoßen zu den Angriffszielen vor und schalten jedwede Feindstellung aus (Säuberung, Punkt 5). In welchem Ausmaß die Punkte 4 und 5 in Kiew Anwendung finden, hängt von den politischen Zielen des Kreml ab. Ob Putin ein derart „hartes“ (keine militärische Kategorie) Vorgehen wie beispielsweise im Zweiten Tschetschenienkrieg auch in der ethnisch als Brudervolk angesehenen Ukraine befehlen wird, ist momentan offen.

Moskaus Führung hat bei der Schlacht um Kiew zwei taktische Optionen. Den massierten Stoß ins Stadtinnere mit dem Ziel der vollständigen Inbesitznahme der Hauptstadt – mit der Inkaufnahme eines blutigen Häuser- und Straßenkampfes sowie hoher eigener Verlustzahlen. Oder aber die vollständige Einkesselung, Abriegelung und Isolierung Kiews von der Außenwelt, um den Druck auf die ukrainische Staatsführung zu erhöhen.

Eine Analyse der ukrainischen Kampfkraft und Verteidigungsmöglichkeiten Kiews lesen Sie morgen auf zuerst.de. Hagen Eichberger, Deutsche Militärzeitschrift (DMZ)

 

Weitere militärische Entwicklungen am 9. März

„Die von Russland angegriffene Ukraine zieht ihre Blauhelmsoldaten und militärische Ausrüstung aus der Demokratischen Republik Kongo ab. Ein UN-Sprecher teilte am Dienstag mit, die ukrainische Regierung habe die UNO offiziell darüber informiert, dass ihr Militärkontingent einschließlich des Personals, der Hubschrauber und der Ausrüstung zurückberufen würden. Das ukrainische Kontingent im Rahmen der UN-Mission zur Stabilisierung in dem zentralafrikanischen Land (Monusco) umfasst demnach 250 Soldaten“, informiert die F.A.Z.

BILD berichtet, daß Hunderte Deutsche als freiwillige Kämpfe in der ukrainischen Armee dienen. Es seien aktuell fast 1.000 Deutsche in der Ukraine im Kampfeinsatz, so BILD unter Bezugnahme auf ukrainische Behörden. Schon in der ersten Kriegswoche seien beinahe 500 Bundesbürger dem Aufruf der Ukraine zur „Internationalen Legion“ gefolgt. Insgesamt kämpften mittlerweile rund 22.000 Ausländer für die ukrainische Armee.

Nachdem eine Stromleitung zwischen Kiew und Tschernobyl gekappt wurde, ist das Atomkraftwerk Tschernobyl von einem Stromausfall betroffen. Die Ukraine fordert eine Feuerpause, damit die Stromleitung repariert werden kann und der Austritt radioaktiver Strahlung verhindert wird.

Am Nachmittag verlautbarte die britische Regierung, weitere Waffenlieferungen in die Ukraine zu veranlassen. Verteidigungsminister Ben Wallace sagte, es seien bislang 3.615 NLAW-Panzerabwehrraketen geliefert worden, denen weitere folgen sollen. Auch eine nicht näher spezifizierte Zahl an Javelin-Panzerabwehrwaffen soll Kiew erhalten, ebenso werde die Überlassung von Boden-Luft-Raketen vom Typ „Starstreak“ geprüft.

„Zur Stärkung der Ostflanke der NATO will Tschechien bis zu 650 Soldaten in das Nachbarland Slowakei schicken. Das habe die Regierung in Prag beschlossen, teilt das Verteidigungsministerium mit. Die Stationierung ist demnach bis Ende Juni 2023 geplant“, so die F.A.Z. Gleichzeitig genehmigte das slowakische Parlament die Stationierung von NATO-Truppen, insgesamt sollen rund 2.100 Soldaten diesen Teil der NATO-Ostflanke unterstützen, allein 700 aus Deutschland, 400 aus den USA, 200 aus Holland sowie jeweils 100 aus Slowenien und Polen. Daneben die eingangs erwähnten 650 aus Tschechien.

Die Bombardierung der umkämpften Stadt Charkow im Nordosten der Ukraine nimmt am frühen Abend des 9. März wieder zu. Russische Soldaten seien näher an die Stadt gerückt, ein Angriff sei zu erwarten. Auch im südukrainischen Mykolajiw intensieren die Russen ihre Offensive.

Die F.A.Z. informiert am Abend: „Das russische Verteidigungsministerium hat den Einsatz eines schweren Flammenwerfer des Typs TOS-1 Buratino bestätigt. Das berichtet soeben das britische Verteidigungsministerium. Mithilfe von Aerosolraketen entwickelt der Flammenwerfer eine Zerstörungskraft, die an taktische Nuklearwaffen heranreicht. Eine Buratino-Salve von dreißig Raketen zerstört alles auf einer Fläche von drei Fußballfeldern. Der Einsatz einer solchen Waffe gegen Zivilisten wäre ein Kriegsverbrechen.“

Aktuell (15.00 Uhr) melden Medien, daß die beiden russischen Zangen – im Norden aus dem Raum Charkow, im Süden und Südosten aus dem Donbass – kurz vor der Vereinigung stehen. Details (ob beispielsweise die ukrainischen Streitkräfte vor der Einkesselung stehen) sind bislang nicht bekannt. Doch entspricht dieses Szenario exakt dem in diesem Interview prognostizierten Kriegsverlauf.

Dies ist deshalb so interessant, weil auf den in westlichen Medien dargestellten Karten des Kriegsverlaufs derartige Fortschritte der russischen Offensive nicht gezeigt wurden/werden. Beispielhaft sei die folgende Karte der F.A.Z. gezeigt/erwähnt.

https://images.jifo.co/20879916_1646826894549.jpg

Im Gegensatz dazu zeigen russische Medien (readovka.news) folgende Karte der militärischen Offensive Rußlands.

https://cdn.readovka.net/n/1177009/878x495/0b598c87d0.jpg

Der Unterschied ist gravierend, betrachtet man die in Karte 2 zu sehenden Geländegewinne der russischen Armee im Vergleich zu den in Karte 1 gezeigten. Damit einher geht nämlich, daß die in westlichen Medien fast einhellig getroffenen Aussagen zu Mängeln des russischen Vorstosses kaum haltbar sind. Vielmehr zeigt sich, daß die Operationsziele Moskaus durchaus erreicht wurden und die strategische Marschrichtung eingehalten wird.

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5 Kommentare

  1. […] Am 14. Kriegstag veröffentlichten wir eine taktische Lagebeurteilung des Militärexperten und -hist… Heute folgt eine Analyse der ukrainischen Kampfkraft und Verteidigungsmöglichkeiten Kiews. […]

  2. Wolfsrabe sagt:

    Kann man in Erfahrung bringen, wer diese dubiosen 1000 Deutschen Soldaten sind und für wen und was genau die kämpfen? Kämpfen sie an der Seite der ukrainischen Nationalisten oder an der Seite der verwestlichten, internationalistischen Teil der Ukraine?

  3. Winnetou Apatschi sagt:

    Das klingt sehr überzeugend, wird wohl wirklich so kommen.
    Aber, was wird es Russland bringen? (Krim und Donbass ausgenommen)

    • Ali Baba sagt:

      Aber, was wird es Russland bringen?…DEN ANDEREN/SIC/ BRINGT BESTIMMT WAS. ES GEHT NICHT UM RUSSLAND!!

      • Spionageabwehr sagt:

        Bundeskanzler Scholz sprach in Washington
        kurz vor dem russischen Angriff
        von der Rückkehr zum STATUS QUO ANTE.
        Mit Bezug auf den Wiederaufstieg Chinas.

        Mit seinem Überfall beschleunigt Putin diesen Prozess jetzt.

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