Chinas Sozialkredit-System erstmals in der Kritik: „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“

19. April 2019
Chinas Sozialkredit-System erstmals in der Kritik: „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“
International
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Foto: Symbolbild

Peking. In China regt sich erstmals Widerstand gegen das von der Regierung geplante Sozialkredit-System, das schon ab 2020 flächendeckend funktionsfähig sein soll und für alle Chinesen ein Punkte-Bewertungssystem vorsieht, das u.a. über den Zugang zu Flugtickets, medizinischer Behandlung und preisgünstigen Bankkrediten entscheidet. Kritiker sehen hier nun Manipulationsmöglichkeiten.

Angestoßen wurde die Diskussion jetzt durch einen Beitrag des Pekinger Journalisten Zhang Yuzhe im Finanz-Enthüllungsmagazin „Caixin“. Er fragt: „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“ Aufhänger seines Beitrags ist der Fall eines Polizisten, der gegen Bestechung Negativeinträge im zentralen Punkte-Register wieder gelöscht und dafür alles in allem umgerechnet 5,6 Millionen Euro kassiert hatte.

Für Zhang Yuzhe ist der Fall ein Warnsignal, wie leicht sich das Punktesystem manipulieren und mißbrauchen läßt.

Im Rahmen des künftigen sozialen Bonitätssystems will die Pekinger Regierung über Straf- und Lobdaten die Sozialkreditpunkte für jeden Bürger bestimmen. Pilotprojekte sind dazu bereits in über 40 chinesischen Kreisen und 20 Städten angelaufen, die die finanzielle und gesellschaftliche Kreditwürdigkeit von Privatpersonen oder Unternehmen bewerten. Kritisch wird vor allem gesehen, daß es auch für soziales und moralisches Verhalten Lob- und Strafpunkte gibt.

Mit Zhang Yuzhes Beitrag stößt „Caixin“ eine Debatte an, die im zentralistischen China bislang kaum jemand für möglich gehalten hätte. Immerhin machen chinesische Befürworter des Sozialpunkte-Systems auch darauf aufmerksam, wie wichtig es sei, Vertrauen und Ehrlichkeit in ihrem Land wiederherzustellen. Sie führen den Niedergang solcher Werte auf die blinde Übernahme marktwirtschaftlicher Praktiken zurück, ohne über ein effizientes Rechtssystem zu verfügen.

Die von „Caixin“ nun angestoßene Debatte zum Bonitätssystem ist auf alle Fälle ein Fortschritt. Denn sie thematisiert auch den Schutz der Daten und den Schutz der Privatsphäre – in China bislang eher unterbelichtete Aspekte. „Haben lokale Regierungen die finanziellen und technischen Mittel, ihre Datensammlungen zu schützen“, fragt das Magazin und resümiert: China brauche Gesetze, die den Datenschutz reglementieren und für die Bürger transparent machen. (mü)

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