Thronwechsel in Japan: Steht die neue Kaiser-Ära für „Rückkehr zum Nationalismus“?

2. April 2019
Thronwechsel in Japan: Steht die neue Kaiser-Ära für „Rückkehr zum Nationalismus“?
International
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Foto: Symbolbild

Tokio. In Japan steht offiziell eine neue Ära bevor. Denn in einem Monat wird Kronprinz Naruhito neuer Kaiser, damit beginnt der japanischen Überlieferung zufolge eine neue Ära. Die rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Abe gibt unterdessen bereits den Namen der künftigen Ära bekannt – ein Vorgang, der von großer Symbolik und politischer Bedeutung ist.

Die Ära-Bezeichnung „Reiwa“ steht nach Einschätzung eines Tenno-Experten für eine Rückkehr zum Nationalismus. „Reiwa“ beginnt offiziell am 1. Mai, wenn Naruhito die Nachfolge seines Vaters, Kaiser Akihito, antritt. Der Name läßt sich nicht direkt übersetzen – das neu geschaffene Wort wird nur zur Bezeichnung der Kaiserära benutzt. Das „Rei“ kann man mit „gut“ oder „verheißungsvoll“ übersetzen, das zweite „Wa“ mit „Frieden“ oder „Harmonie“.

Der 85jährige beliebte Tenno, dessen Regentschaft den Namen Heisei („Frieden schaffen“) trägt, dankt am 30. April aus gesundheitlichen Gründen ab. Er ist der erste Kaiser in der ältesten Erbmonarchie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger freimacht.

Regierungssprecher Yoshihide Suga präsentierte den künftigen Äranamen auf einer Kalligraphie mit den beiden Schriftzeichen für „Reiwa“ am Montag bei einer live im ganzen Land übertragenen Pressekonferenz. „Reiwa“ bedeute, daß eine Kultur geboren werde und wachse, wenn die Menschen auf „schöne“ Weise zusammenkommen und füreinander sorgten, erläuterte Ministerpräsident Abe die Bedeutung der Äradevise.

Seine rechtskonservative Regierung brach bei der Auswahl des Äranamens für den künftigen Kaiser mit der bisherigen Tradition, sich dabei auf klassische Literatur Chinas zu beziehen. Stattdessen nahm man erstmals seit 1300 Jahren einen japanischen Klassiker als Referenz, die Gedichtanthologie „Manyoshu“ aus dem 8. Jahrhundert.

Japans 248. Äraname sei symbolisch für Japans reiche Kultur und lange Tradition, erklärte Abe, der gegenüber dem wirtschaftlich und militärisch erstarkenden Nachbarstaat China oft einen harten außenpolitischen Kurs fährt und das heutige Japan in ein nach eigenen Worten „schönes Land“ verwandeln will. Dazu gehört eine Stärkung des Patriotismus. Zudem baut Abe die Rolle des japanischen Militärs aus.

Der neue Äraname sei Ausdruck einer „Rückkehr zum Nationalismus“, sagte der Tenno-Experte Ernst Lokowandt der Nachrichtenagentur dpa in Tokio. Die Namensauswahl unter Bezugnahme auf japanische und nicht mehr chinesische klassische Literatur sei „ein Zeichen der Regierung, nicht des Kaisers“, so Lokowandt, der mehrere Bücher über den Tenno schrieb.

Mit dem 1. Mai wird es erstmals in Japans moderner Geschichte einen geplanten Ärawechsel geben. Bislang war es üblich, daß noch am Todestag eines Kaisers die neue Äradevise (gengo) verkündet werden mußte. Zuletzt geschah dies am 7. Januar 1989, nachdem Akihitos Vater, Kaiser Hirohito, nach 63jähriger Amtszeit gestorben war.

Ein Wechsel der Äradevise ist in der asiatischen Wirtschaftsmacht ein verwaltungstechnischer Großaufwand. Offiziell gilt der Gregorianische Kalender, daneben aber auch ein weiterer, amtlich verwendeter Kalender, der sich an die jeweilige Ära der Kaiser hält. (mü)

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