EU-Parlament winkte Europäischen Verteidigungsfonds durch: Verstoß gegen den Lissabon-Vertrag?

21. Dezember 2018
EU-Parlament winkte Europäischen Verteidigungsfonds durch: Verstoß gegen den Lissabon-Vertrag?
International
2
Foto: Symbolbild

Brüssel. Erst letzte Woche hat das Straßburger Europaparlament eine weitere Hürde auf dem Weg zur geplanten Europäischen Verteidigungs- und Militärunion beseitigt und mit großer Mehrheit für den künftigen Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) gestimmt. Dagegen waren die rechten Parteien, außerdem gab es 109 Enthaltungen.

Allerdings könnten die 337 Abgeordneten der Altparteien, die mit „Ja“ stimmten, die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Denn: jetzt liegt ein von der LINKEN-Fraktion im EU-Parlament in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten vor, das darauf verweist, daß der Fonds gegen EU-Recht verstoßen könnte.

Konkret: laut Andreas Fischer-Lescano von der Universität Bremen, der das Gutachten verfaßt hat, verbietet der Vertrag von Lissabon ausdrücklich die Finanzierung von Militär- oder Verteidigungsvorhaben aus dem gemeinsamen Haushalt der Europäischen Union.

Wörtlich sagte Lescaono: „Diese Bewertung gilt unabhängig davon, ob das vorrangige Ziel des EVF die Förderung der Verteidigungsfähigkeiten oder der strategischen Verteidigungsautonomie der EU ist – wie in der Begründung der EVF-Verordnung vorgeschlagen –, oder ob man von dem in der Verordnung genannten Ziel einer integrierten Unterstützung der Industrie und von Maßnahmen im Verteidigungssektor ausgeht, oder ob eine Kombination von drei übergeordneten Zielen (Förderung von Verteidigung, Industrie und Forschung) als Grundlage herangezogen wird.“

Auch zwei weitere Rechtsexperten sehen das so, während die EU-Kommission den EVF erwartungsgemäß verteidigt. „Der Europäische Verteidigungsfonds wird finanzielle Mittel und Anreize bereitstellen und die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an Kooperationsprojekten sowie bahnbrechende Innovationslösungen stark fördern,“ teilte ein Sprecher der Kommission lediglich mit. Nach Ansicht der Kommission werden vor allem Investitionen in moderne und interoperable Geräte und Technologien in Bereichen wie Verschlüsselungssoftware, Drohnentechnologie oder Satellitenkommunikation benötigt.

Der Europäische Verteidigungsfonds war von der EU-Kommission erstmals im November 2016 vorgeschlagen worden. Mit ihm soll eine integrierte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik erreicht werden. Im Juni legte die Kommission einen entsprechenden Verordnungsentwurf vor, in dem festgelegt wird, daß der EVF vor allem die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben unterstützen sowie zur Förderung der europäischen Rüstungsindustrie dienen soll.

Nach Genehmigung durch den EU-Rat würde der EVF in Kürze 13 Milliarden Euro aus dem nächsten langfristigen Haushalt (MFR) der EU erhalten. Dieses Budget teilt sich auf in 4,1 Milliarden Euro für die gemeinsame Verteidigungsforschung und 8,9 Milliarden Euro zur Kofinanzierung von militärischen Entwicklungsprojekten. Dazu könnte dann auch die Entwicklung neuer Waffensysteme zählen, darunter eine „Euro-Drohne“, ein Jagdflugzeug der nächsten Generation oder ein deutsch-französischer Kampfpanzer. Anfang November hatten die EU-Mitgliedstaaten dem Projekt grundsätzlich zugestimmt. (mü)

 

Bildquelle: Flickr/U.S. Army Photo by Lacey Justinger, 7th Army Training Command/CC BY 2.0

2 Kommentare

  1. Bernd Sydow sagt:

    Die über den EVF finanzierte Europäische Verteidigungs- und Militärunion wäre ein weiterer Schritt in Richtung zu den „Vereinigten Staaten von Europa“. Angesichts dieses Endziels nimmt es die EU-Kommission mit geltendem EU-Recht ganz offensichtlich nicht so genau. Daß das geht, hat Dauerkanzlerin Merkel vor Jahren mit den Dublin-Verträgen und dem Artikel 16a GG vorgemacht.

    Wie aber soll diese Europäische Verteidigungs- und Militärunion (EVM) in der Praxis (Verteidigungsfall eines EU-Mitgliedsstaates) funktionieren? Nehmen wir mal folgenden fiktiven Fall an: Die Türkei, die in den Siebzigern den Nordteil von Zypern völkerrechtswidrig okkupierte (was für sie weitgehend folgenlos blieb), marschiert in die Republik Zypern (EU-Mitglied) ein, um sich auch den Südteil der Insel „unter den Nagel zu reißen“. Wie würde die EVM darauf reagieren? Würde sie dem EU-Mitglied Zypern militärisch beistehen? Wohl kaum, wenn ich da an die militärischen Fähigkeiten der Grenzschutzagentur Frontex denke, die EU-Außengrenzen – insbesondere zum Meer hin – wirksam zu schützen!

  2. Wolfgang Schlichting sagt:

    Die EU Verträge sind anscheinend immer dann gegenstandslos, wenn sie den Plänen von einigen „Schwergewichten“ wie Merkel und Macron im Weg stehen, ob Dublin, Schengen, oder Lissabon, EU Verträge sind nur dann rechtsgültig, wenn die „Schwergewichte“ und ihre Lobbyisten dadurch Milliarden verdienen.

Schreibe einen Kommentar

Die maximale Zeichenanzahl bei Kommentaren ist auf 2000 begrenzt.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.