Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Flüchtlings-„Obergrenzen“ kaum machbar

22. Dezember 2015
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Flüchtlings-„Obergrenzen“ kaum machbar
National
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Foto: Symbolbild

Berlin. Seit Wochen versuchen Politiker der Union mit der Forderung nach einer „Obergrenze“ für „Flüchtlinge“ in der Bevölkerung zu punkten. Neben dem bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Seehofer positionierte sich mit dieser Forderung erst dieser Tage etwa im Münchner Stadtrat der CSU-Alterspräsident Dr. Reinhold Babor (76) und löste damit einen handfesten Skandal aus.

Nur: die Forderungen nach einer Asylanten-„Obergrenze“ ist reine Spiegelfechterei zur Wählerberuhigung. Sie wäre nämlich möglicherweise selbst bei ernsthaftem politischem Willen nicht umsetzbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält sie für rechtlich kaum zulässig. Das geht aus einem Gutachten der Parlamentsexperten hervor, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.

Die Juristen untersuchten die rechtlichen Grundlagen für die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte „keine Obergrenze“ kennt, woraufhin in Unionskreisen die Forderung nach einer solchen Obergrenze lauter wurde.

Aber, so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seinem Gutachten: grundsätzlich enthalte das EU-Asyl- und Flüchtlingsrecht keine Regelungen, „die eine zahlenmäßige Begrenzung der Aufnahme von international Schutzsuchenden vorsehen“. Die Experten verweisen vorsorglich darauf, daß in dieser Frage generell die EU-rechtlichen Vorgaben maßgeblich seien und das nationale Recht „überwölben“, also außer Kraft setzen.

Die mögliche Einführung einer EU-weiten Obergrenze für die Aufnahme von Schutzsuchenden bezeichnen die Experten deshalb als problematisch. Zur Begründung verweisen sie dem Bericht zufolge auf Artikel 18 und Artikel 19 der EU-Grundrechtecharta. Eine „Obergrenze“ wäre demnach nur dann denkbar, wenn die betroffenen Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in sichere Drittstaaten zurückgewiesen werden könnten. Ob hingegen eine „Aus- und Zurückweisung von Flüchtlingen in Verfolgerstaaten aus Gründen der Überschreitung einer Obergrenze gerechtfertigt“ werden könnte, sei „höchst zweifelhaft“.

Was die entsprechenden Forderungen von Seehofer und Co. einmal mehr als reine Schaufenster-Vorschläge entlarvt. (mü)

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