Ankara. Die Türkei beliefert offenbar den syrischen Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida, Jabhat al-Nusra, mit Waffen und Munition. Mindestens ein Fall von Unterstützung der gegen die Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad kämpfenden Organisation scheint nun bewiesen.
Wie der „Spiegel“ berichtet, veröffentlichte eine türkische Hackergruppe kürzlich ein Protokoll der Gendarmerie, das nach der Durchsuchung dreier Lastwagen im Januar 2014 in Adana angefertigt worden war. Die Beamten hatten die Lastwagen nach Eingang eines Hinweises auf illegale Waffenlieferungen ins Visier genommen und einen Durchsuchungsbefehl des Staatsanwalts Aziz Takci. Das nun veröffentlichte und zum Teil handschriftlich verfaßte Dokument legt nahe, daß die türkische Regierung Waffen, Raketen und Munition an die Islamisten in Syrien liefern ließ.
Nachdem die drei Lastwagen beschlagnahmt worden waren, gaben sich mehrere Mitarbeiter des Geheimdiensts MIT zu erkennen, die dem Konvoi in einem PKW gefolgt waren und versuchten, die Durchsuchung der Ladung zu verhindern. Diese förderte alsbald sechs Kisten zutage, in denen sich Raketen und Munition befanden. Bevor die Untersuchung zu Ende gebracht werden konnte, schaltete sich jedoch der Gouverneur von Adana ein und erwirkte die Weiterfahrt mit einer entsprechenden Anordnung des regionalen MIT-Chefs. Im Anschluß wurde Staatsanwalt Takci entlassen; den an der Durchsuchung beteiligten Soldaten drohen inzwischen langjährige Haftstrafen wegen „Spionage“.
Die türkische Regierung reagierte nervös auf die nun erfolgte Veröffentlichung des Protokolls: Sie ließ umgehend alle Internetseiten blockieren, die über den Fall berichteten. Ein Gericht ordnete die Sperrung von Twitter und Facebook an, sollten die sozialen Netzwerke entsprechende Inhalte nicht löschen. Kurz darauf war das Twitter-Konto der Hackergruppe nicht mehr erreichbar.
Insgesamt kämpfen im Mittelmeerland Syrien rund 100.000 Rebellen gegen die Armee, etwa die Hälfte davon gehörte einer britischen Studie zufolge Ende 2013 islamistischen Gruppierungen wie der Jabhat al-Nusra oder dem “Islamischen Staat” (IS, vormals “Islamischer Staat im Irak und Syrien”, ISIS) an – seit September 2014 wird allein für IS von 31.500 bis 50.000 Kämpfern ausgegangen, rund 15.000 davon stammen aus dem Ausland. Finanzielle Unterstützung bekommen die Islamisten vornehmlich aus Saudi-Arabien, das als Verbündeter der USA an einer Schwächung des Iran interessiert ist, welcher wiederum auf der Seite Syriens und des Irak steht. Neben zahlreichen ausländischen Kämpfern vor allem aus dem arabischen Raum stammen auch rund 3.500 der kämpfenden Islamisten aus Europa. Aus Deutschland sind rund 600 Kämpfer – zumeist Personen ausländischer Abstammung, aber auch Konvertiten – nach Syrien ausgereist. Etwa 65 von ihnen sind in Gefechten von der syrischen Armee, der Regierung nahestehenden Milizen, kurdischen Verbänden oder rivalisierenden islamistischen Gruppierungen getötet worden, der bekannteste von ihnen war der ehemalige U18-Fußballnationalspieler Burak Karan. Mehrere, darunter der Berliner Ex-Rapper “Deso Dogg” alias Denis Mamadou Cuspert, wurden verwundet. Inzwischen sind nach Syrien ausgereiste Islamisten aus Deutschland grenzübergreifend auch im benachbarten Irak aktiv: In mindestens neun Fällen sprengten sich deutsche IS-Kämpfer sogar als Selbstmordattentäter in die Luft. Es wird befürchtet, daß in dem Konflikt weiter radikalisierte Islamisten nach ihrer Rückkehr Terroranschläge auch in Deutschland planen könnten. (lp)