Umbruch: In ganz Europa zeichnen sich massive Veränderungen der Parteienlandschaft ab

14. Januar 2015
Umbruch: In ganz Europa zeichnen sich massive Veränderungen der Parteienlandschaft ab
International
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Foto: Symbolbild

Brüssel. Schon seit Jahren bereiten sich die europäischen Institutionen, aber auch die Sicherheits- und Innenbehörden in den meisten europäischen Ländern insgeheim auf Turbulenzen vor.

Auch die inzwischen einsatzfähige EU-Polizeitruppe EUROGENDFOR, die über quasi militärische und richterliche Befugnisse verfügt, deutet auf das erhöhte Krisenbewußtsein der EU-Funktionärshierarchie hin. Richtig ist: Im Gefolge der wachsenden wirtschaftlichen und finanziellen Spannungen, von denen inzwischen praktisch die ganze EU betroffen ist, müssen sich die Regierungen zunehmend auch mit gesellschaftlichen und politischen Gleichlaufschwankungen auseinandersetzen. Die wachsende Beliebtheit von Protestbewegungen – mit PEGIDA und HoGeSa jetzt sogar in Deutschland – sorgt dafür, daß die politische Stabilität abnimmt und die politische Situation zunehmend unberechenbarer wird.

Jetzt rächen sich die vom politischen Establishment zu verantwortenden Fehler – und zwar quer durch den Kontinent. Der jahrzehntelange Stimmenkauf über Haushaltsdefizite und die Etablierung eines Finanzsystems, von dem nur eine Handvoll schwerreicher Konzerne und Multimilliardäre profitieren, lassen immer mehr Menschen rebellieren. Sie zahlen immer mehr Steuern, obwohl sie in der Regel immer weniger Geld verdienen.

In vielen Ländern kann man schon froh sein, überhaupt noch einen Job zu haben, während es die Eliten aus Politik und Wirtschaft den einfachen Bürgern und den kleinen und mittelständischen Unternehmen immer schwerer machen.

Doch jetzt scheint das Maß allmählich voll. Allenthalben erstarken „populistische“ und heimattreue Parteien – Syriza und „Goldene Morgenröte“ in Griechenland, Podemos in Spanien, die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien und der Front National in Frankreich sind solche Beispiele. Den Menschen, vor allem in den übrigen europäischen Ländern, ist es weitgehend egal, ob diese politischen Kräfte aus dem linken oder rechten Spektrum kommen – für sie zählt nur der Umstand, daß sie sich nicht mehr von den bisherigen Eliten ausnehmen lassen wollen.

Daß diese Protestparteien oftmals auch keine wirklichen Lösungen parat haben, spielt hierbei keine Rolle. Patentrezepte zur Lösung der aktuellen Probleme gibt es in einer unübersichtlicher werdenden Welt ohnehin keine.

Doch eine Kehrseite gibt es ebenfalls: Die Straßenproteste führen dazu, daß die alten politischen Seilschaften von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen immer ineffektiver werden. Mit dem Erfolg der Protestparteien werden die Parteienkartelle aufgebrochen. Selbst wenn es in den einzelnen Ländern noch unterschiedliche Entwicklungen gibt, so ist plausibel, daß die politische Landkarte in Europa bis 2020 ganz anders aussehen wird als heute.

Es ist kein Geheimnis, daß insbesondere die südeuropäischen Länder von Portugal bis Griechenland hoffnungslos überschuldet sind. Eine Übernahme der Regierungsverantwortung Syrizas in Griechenland, samt nachfolgender Zahlungsverweigerung an die Gläubiger, könnte die EU vielleicht noch aushalten. Vergleichbare Entwicklungen in Frankreich oder Italien hingegen nicht.

Das Elitenprojekt Europäische Union ist auf dem besten Weg in den Zerfall, auch wenn sich das tonangebende Establishment noch mit Händen und Füßen dagegen wehrt. Allerdings sind die Bruchlinien schon zu erkennen, und Neues wird mit jeder Woche greifbarer. Es wird ein spannendes Jahr. (ds)

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