Durch Drohnen zur Emanzipation – Die Doppelmoral deutscher Politiker und Medien

25. September 2014
Durch Drohnen zur Emanzipation – Die Doppelmoral deutscher Politiker und Medien
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Foto: Symbolbild

Mit Politikerreden ist es wie mit demVerpackungsmüll aus dem Supermarkt:oft überflüssig, irreführend bebildertund schwer zu entsorgen. Unablässig werden wir mit Propagandaparolen und Hüllwörtern überschüttet,die mit der Realität etwa so viel zu tun haben wie die fröhlich herumtollenden Schweine auf dem Wurst-Etikett. Zunehmend wird Politik von Werbeagenturen und Imageberatern gemacht. Entsprechend ist sie beschaffen. Inhalt? Zweitrangig. Auf die Verpackung kommt es an, auf Signale und „Botschaften“. Und die lassen sich jederzeit der Lage anpassen, schnell und unkompliziert.

Was man dabei auf keinen Fall erwarten darf: Logik und Berechenbarkeit, Konsistenz und Kontinuität. Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sein Amt mit dem pazifistisch klingenden Versprechen antrat, deutsche Waffenausfuhren zu reduzieren, spekulierte er lediglich auf die Leichtgläubigkeit des Publikums – in der Hoffnung, „bis 2017 von einer Mehrheit der Deutschen als kanzlerfähig angesehen zu werden“ (so jedenfalls die Einschätzung des Spiegel). Als aber kurz darauf die Frage zu entscheiden war, ob man nicht kurdische Freischärler – ausgerechnet sie! – mit deutschen Waffen aufrüsten sollte, mutierte derselbe Gabriel blitzschnell zum Export-Befürworter.

Er habe keineswegs seine Grundsätze aufgegeben, beruhigt uns der wendige Genosse. Nach wie vor „wollen wir keine Waffenlieferungen in Krisengebiete“. Aber hin und wieder müsse es eben doch sein. Wann? Ganz einfach: Wenn deutsche Politiker es für richtig halten. So war es freilich immer, und so wird es auch bleiben. Ohne Gabriels Profilierungssucht wäre uns viel Wortmüll erspart geblieben – einschließlich der abgeschmackten „Holocaust“-Anspielungen, die jedesmal kommen, wenn man die Deutschen pseudomoralisch zu überrumpeln gedenkt.

Krieg wieder als Mittel der Politik? Warum nicht? Man muß ihn nur ein wenig umetikettieren. Einhüllen in gefällige Synonyme. „Friedensmission“, wie in Afghanistan, klingt vielleicht etwas affektiert. Neuerdings redet man von „Führungsverantwortung“, „Solidaritätspflicht“ und „deutscher Teilnahme am globalen Krisenmanagement“. Gezielt wird der Eindruck erweckt, als warte die ganze, zumindest die halbe Welt auf deutsche Soldaten. Man dürfe sich nicht länger „verweigern“. Dazu jeden Fernsehabend Schreckensbilder von irgendwelchen Krisenherden (an deren Entstehung man kräftig mitgewirkt hat) und die Brandmarkung von Menschheitsfeinden, die man am besten gleich über den Haufen schießt. „Stoppt Putin jetzt!“, titelte der Spiegel zu den Unruhen in der Ukraine. Den Versuch, Stalin zu stoppen, hat man uns allerdings noch immer nicht verziehen.

Am liebsten wird über Kriege geklagt, die längst vorüber sind. Da sinken sich dann 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs deutscher und französischer Präsident in die Arme und wollen überhaupt nicht mehr verstehen, daß man sich einst gegenseitig umbrachte. „Sinnlos“ soll er gewesen sein, der Soldatentod. Und leicht läßt sich richten über frühere Generationen. Je mehr man deren Irrungen und Wirrungen beschwört, desto prächtiger kommt man sich selber vor. Heute hat natürlich alles seinen Sinn, und kein Soldat stirbt mehr umsonst. Zwar nicht fürs Vaterland, aber – viel süßer – für die „Menschenrechte“. Die nämlich machen es laut Joachim Gauck manchmal nötig, „zu den Waffen zu greifen“. Bedenkt man, was aus „westlicher“ Sicht alles zu den Menschenrechten zählt, läuft des Bundespräsidenten Gerede auf eine schier unbegrenzte Generalvollmacht hinaus.

Zum Beispiel auch darauf, weltweit Todesdrohnen kreisen zu lassen, um verdächtige Elemente zu eliminieren. Mit einem schönen Nebeneffekt, den uns jetzt die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Aufklärungsschrift nahebringt. Erstmals erfahren wir da von den „Genderdimensionen des Waffengebrauchs“. Bislang sei das weibliche Geschlecht als schwächer und schutzbedürftiger eingestuft worden, es habe unter der Definition militärischer Männlichkeit gelitten. Das aber lasse sich abschleifen durch den vermehrten Einsatz von Drohnen. Denn deren Steuerung aus einer Computerzentrale im sicheren Hinterland überfordere nicht die weibliche Leibeskraft „und ermöglicht mehr Frauen die Teilhabe an soldatischer Identität“. Für solche „emanzipatorischen Erfahrungen“ lohnt sich der Krieg nun ganz gewiß.

Harald Neubauer, ehem. Abgeordneter des EU-Parlaments, ist regelmäßiger Kolumnist von ZUERST!

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