Tokio. Bei Politikern und Meinungsmachern gehört es zum politischen Grundkonsens, daß gegen den negativen Bevölkerungssaldo der europäischen Völker nichts unternommen werden kann.
Es wird stillschweigend als Naturgesetz hingenommen, daß in Europa jede Generation signifikant kleiner ist als die vorhergehende. Dabei wird allerdings ausgeblendet, daß ernsthafte Versuche einer pro-natalistischen, geburtenfördernden Familien- und Bevölkerungspolitik in Westeuropa gar nicht erst unternommen werden.
Das ist nicht überall so. Rußland zum Beispiel hat sich erst letztes Jahr ein offizielles familienpolitisches Leitbild verordnet, das drei russische Kinder für jede russische Familie vorsieht. Kein Einzelfall: Auch in Japan, das ebenfalls unter einer sehr niedrigen Geburtenrate leidet, hat man erkannt, daß Kinderlosigkeit und Kinderarmut in den meisten Fällen kein unabwendbares Schicksal ist, und will jetzt dagegenhalten. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, will auch die Regierung in Tokio die Drei-Kinder-Familie zum Staatsziel ausrufen. Nur mehr Nachwuchs könne die Schrumpfung und Alterung verhindern und den Wohlstand sichern.
Das Programm für mehr Kinder soll Ende Juni offiziell in Tokio präsentiert werden. Die Regierung kündigte aber bereits an, Bedingungen schaffen zu wollen, die es den Frauen erleichtern, sich für ein drittes Kind zu entscheiden. Dazu werden finanzielle Förderungen für Frauen in Betracht gezogen, zudem sollen Kindertagesstätten und Bildung stärker gefördert werden.
Damit will das Industrieland mit der weltweit niedrigsten Geburtenrate den demographischen Negativtrend umkehren. Die japanische Geburtenrate liegt durchschnittlich bei 1,4 Kindern pro japanischer Frau. Gleichzeitig haben Japaner die weltweit höchste Lebenserwartung, so daß die Gesellschaft stetig altert.
Als Gründe für die negative Bevölkerungsentwicklung in Japan werden gesellschaftliche Faktoren angesehen: Frauen seien stark ins Arbeitsleben integriert und heirateten immer später. Zudem seien Familienverbände zumeist klein, da es in den Städten schwierig sei, angemessenen Wohnraum zu finden. Prognosen gehen deshalb davon aus, daß die Einwohnerzahl Japans von derzeit 127 Millionen auf 87 Millionen im Jahr 2060 absinken wird.
Eine schrumpfende und alternde Bevölkerung führe aber schon bald zu einem Mangel an Arbeitskräften, warnt die Regierung. Doch anders als in westlichen Industrienationen „sieht die japanische Regierung in der Zuwanderung von Ausländern keinen Weg, die demographische Entwicklung zu drehen“, berichtet die FAZ.
Auch ausländische Arbeitskräfte sollten nur eine zeitlich eng begrenzte Aufenthaltserlaubnis erhalten. Um die Bevölkerung konstant zu halten, müßte Japan jährlich knapp 800.000 Ausländer ins Land holen. Doch diese Trendwende ist im Land der aufgehenden Sonne nicht zu erwarten. Derzeit sind weniger als zwei Prozent der Einwohner Japans Ausländer. (ds)
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