ZUERST!-Recherche: Was machen die USA und die NATO eigentlich in Afrika?

14. Juni 2020
ZUERST!-Recherche: Was machen die USA und die NATO eigentlich in Afrika?
International
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Foto: Symbolbild

In den USA und in Europa protestieren derzeit Zehntausende unter dem Motto „Black Lives Matter“. Solidarisch erklärten sich auch die jeweiligen Staatsführungen. Doch was treiben diese Länder – meist Mitglied des Verteidigungsbündnisses NATO – eigentlich in Afrika?

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Einer der verheerendsten afrikanischen Konflikte ist derzeit der libysche Bürgerkrieg. Nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 stürzte das Land ins Chaos. Seitdem sind Massaker und terroristische Aktivitäten vor allem islamistischer Gruppen an der Tagesordnung. Darüber hinaus findet in Libyen wieder Sklavenhandel statt. Schwarzafrikaner, die Libyen als Transitland für eine illegale Einreise nach Europa nutzen wollen, sind dort für Menschenhändler zur lebendigen Ware geworden.

Der Krieg in Libyen ist derweil wieder in Bewegung geraten. Die bewaffneten Verbände der Regierung der „Nationalen Übereinkunft“ (GNA) unter Machthaber Fayiz as-Sarradsch, zu denen auch islamistische Terrormilizen zählen, greifen mit massiver Unterstützung der Türkei die Positionen des Sarradsch-Konkurrenten General Chalifa Haftar und dessen Libyscher Nationalarmee (LNA) an.

Formal gilt die GNA als die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung, aber ihr Mandat, das sie 2015 im Rahmen internationaler Verträge erhalten hatte, ist bereits abgelaufen, was in Libyen für ein Legitimitätsproblem sorgt. Unterstützt wird die GNA vor allem mit Waffenlieferungen aus der Türkei. Ankara entsendet aber auch syrische islamistische Milizionäre ins libysche Kampfgebiet zur Unterstützung von Sarradsch.

Am 9. Juni beschuldigte der Sprecher der LNA, Generalmajor Ahmad Mismari, Erdogans Geheimdienste und die GNA-Kräfte zahlreicher Verbrechen in Libyen. Insbesondere sagte er, daß mehr als 20.000 Zivilisten aus der kürzlich von den GNA-Streitkräften besetzten Stadt Tarhuna in die Cyrenaica geflohen seien. Mismari zufolge ist Ankara für Massaker an der lokalen Bevölkerung in der Region verantwortlich.

Die regionalen Medien berichteten bereits früher über die Massaker von Tarhuna. So berichtete einer der libyschen Fernsehsender am 5. Juni 2020, daß türkische und syrische Kämpfer in der Stadt Massenmord begangen hätten. Zivilisten seien hingerichtet und Frauen vergewaltigt worden.

Auch der deutsche Botschafter in Libyen, Oliver Owcza, äußerte sich besorgt über die Vorgänge in Tarhuna. Der Diplomat forderte, Blutrache, Plünderungen und Plünderungen sofort zu stoppen und forderte die Befehlshaber auf, das Gesetz zu respektieren.

Die UN-Mission in Libyen (UNSMIL) bestätigte die Gewalt in Tarhuna. Flüchtlinge berichteten, daß GNA-Kämpfer wahllos Häuser niederbrennen. Auch mehrere Videos bestätigen die Brandstiftungen durch die GNA-Milizen in der Stadt.

Besonders heikel: Es gibt Berichte über die Beteiligung türkischer Sicherheitsdienste an den Massakern an sogenannten „unerwünschten Personen“. Das Nachrichtenportal „Afrigatenews“ enthüllte Aktivitäten türkischer Söldner in der westlichen Bergregion des Landes, wo sie nach Saif al-Islam Gaddafi suchen, dem amnestierten und populären Sohn Muammar al-Gaddafis, der von der GNA als gefährlicher Gegner und Konkurrent betrachtet wird.

Brisant: Mit Ankara ist ein NATO-Mitglied in Libyen aktiv. Doch weder die NATO-Führung in Brüssel noch Washington verurteilen die türkischen Aktivitäten in dem nordafrikanischen Land. Im Gegenteil: Es wird sogar Unterstützung signalisiert.

Bereits im Mai, am Vorabend der GNA-Offensive mit dem Massaker von Tarhuna, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“, die NATO sei „bereit, der Regierung von Tripolis ihre Unterstützung zu gewähren“. Seiner Meinung nach gibt es zwar ein UNO-Embargo für Waffenlieferungen an Libyen, „aber das bedeutet nicht, die von Haftar geführten Streitkräfte und die Regierung von Fayiz as-Sarradsch auf dieselbe Stufe zu stellen“. Mit keinem Wort ging Stoltenberg auf die massiven Verletzungen des UN-Waffenembargos durch den NATO-Partner Türkei ein, was man in Ankara als stillschweigende Zustimmung interpretieren dürfte.

Am 6. Juni, inmitten der Gewalt von Tarhuna, führten US-Präsident Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan Gespräche, nach denen der türkische Präsident erklärte, daß „einige Vereinbarungen“ mit den USA getroffen worden seien und Libyen „eine neue Ära“ erleben werde. Am 10. Juni führte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Gespräche mit dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu. Und am 11. Juni versuchte der stellvertretende US-Außenminister für den Nahen Osten, David Schenker, die türkische Intervention in Libyen damit zu rechtfertigen, daß Ankara in Libyen aktiv sei, um den Russen etwas entgegenzusetzen: „Wir sind besonders besorgt über den anhaltenden Zustrom von russischer Militärausrüstung, Waffen und russischen Wagner-Söldnern, deren Anwesenheit zu der türkischen Intervention führte, die jetzt im Gange ist“, rechtfertigte David Schenker die türkische Intervention.

Und wieder: Die Verbrechen der unter türkischem Waffenschutz agierenden GNA-Verbände waren weder Schenker noch Stoltenberg eine Erwähnung wert. Dabei werden die Rufe aus Libyen nach einer Untersuchung der Kriegsverbrechen immer lauter – doch in Brüssel und Washington finden diese derzeit zumindest kein Gehör.

In Tripolis, wo die GNA-Regierung residiert, rüstet man sich indessen für eine solche Untersuchung: Als Reaktion auf die Nachrichten über die gewalttätigen Ausschreitungen und Verbrechen an den Zivilisten von Tarhuna hat die GNA eine Desinformations-Kampagne gestartet, in der die GNA-Gegner beschuldigt werden.

In Ankara gehen derweil die geopolitischen Planungen für Libyen weiter. Längst hat man dort ins Auge gefaßt, nicht nur als Interventionskraft präsent zu sein, sondern permanente Militärstützpunkte zu errichten. Derzeit sind zwei türkische Stützpunkte geplant – ein Marinestützpunkt in Misrata sowie ein Luftwaffenstützpunkt in Al Watiya.

Und auch ein Militärstützpunkt der USA zur Unterstützung der GNA ist nach wie vor im Gespräch. So schlug GNA-Innenminister Fathi Bashaga bereits vor Monaten vor, Washington solle doch endlich eine Militärbasis in Libyen errichten.

Darüber hinaus erhält die GNA ebenfalls Unterstützung der weltweit aktiven, radikal-sunnitischen Muslimbruderschaft. Die Organisation, die vor allem von der Türkei und Katar gefördert wird, ist in vielen islamischen Ländern wegen ihrer Radikalität verboten. Das wichtigste Bindeglied zwischen den USA und der libyschen GNA ist der Muslimbruder Mohammed Ali Abdallah – der Chefberater der GNA für die Beziehungen zu den USA. In Washington nimmt daran niemand Anstoß. Abdallah lebte lange Zeit in den USA und arbeitet heute mit amerikanischen Lobbyorganisationen zusammen, insbesondere mit Mercury Public Affairs LLS.

Auf der Netzseite des US-amerikanischen „Foreign Agents Registration Act“ (FARA) kann man sich unter anderem auch über die Aktivitäten der Mercury Public Affairs LLS informieren. Deren Projekt: PR für die US-Unterstützung für die GNA-Regierung in Libyen. Diese PR wird vor allem mit dem Schüren von Angst vor einer „russischen Intervention in Libyen“ betrieben.

Muslimbruder Abdallah ist hockaktiv in den USA: Am 11. Juni forderte Abdallah in einer Rede vor dem konservativen US-amerikanischen Think Tank „Heritage Foundation“ die USA auf, den Druck auf Verbündete wie die Vereinigten Arabischen Emirate zu erhöhen, damit sie die Unterstützung für Chalifa Haftars LNA einstellen.

Aber wer ist dieser Mann, der für eine stärkere amerikanische Beteiligung an den libyschen Angelegenheiten Lobbyarbeit betreibt? Im Jahr 2014 berichteten arabische Medien, daß Mohammed Ali Abdallah für die Koalition der Brigaden von Misrata „Libya Dawn“ in Waffenschmuggel-Aktivitäten verwickelt war. Danach wurde er 2016 zum Direktor des öffentlichen Investitionsfonds „Libyan-African Investment Portfolio“ (LAIP) ernannt, einer Tochtergesellschaft der libyschen Investitionsbehörde (LIA) mit Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar in verschiedene Vermögenswerte. In den ägyptischen Medien wurde behauptet, daß die Ernennung durch die Muslimbruderschaft beeinflußt wurde. Am 30. September 2016 wurde berichtet, daß Abdallah mit einer Gruppe bewaffneter Männer aus Misrata das Amt der LIA gewaltsam an sich gerissen und sich als neuer CEO des Unternehmens vorgestellt habe. Die Gegner der GNA werfen Abdallah vor allem die hemmungslose Plünderung libyscher Ressourcen vor.

Für die Opfer und deren Angehörige der Stadt Tarhuna mag eine solche Personalie ganz besonders für die Doppelmoral des Westens stehen. (CF)

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