Doch kein „Ende der Geschichte“: Fukuyama ist auch in seinem neuesten Buch nicht klüger

9. März 2019
Doch kein „Ende der Geschichte“: Fukuyama ist auch in seinem neuesten Buch nicht klüger
International
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Foto: Symbolbild

New York. Eigentlich müßte man den US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama nicht weiter ernstnehmen – gründlicher als er lag selten jemand mit seinen Prognosen daneben. 1992 dekretierte er in einem Buch das angebliche „Ende der Geschichte“, das mit dem Ende der Blockkonfrontation und dem scheinbaren Siegeszug der westlichen Demokratie gekommen sei. Die letzten zweieinhalb Jahrzehnte haben Fukuyamas ebenso voreiliger wie hochnäsiger Prognose eine schallende Ohrfeige verpaßt. Die Geschichte geht munter weiter, und die westliche Demokratie gilt längst nicht mehr als weltweites Erfolgsmodell.

Jetzt hat Fukuyama erneut ein Buch vorgelegt, Titel: „Identität“. Allerdings hat er aus seinem Fehler von 1992 nicht etwa gelernt, sondern käut unverdrossen die alte Westliche-Werte-Propaganda wieder. Immerhin stellt er sich jetzt die Frage, ob „das Ende der Geschichte“ vielleicht nicht die liberale Demokratie sei, sondern „ein System wie in Ungarn, wo ein Machthaber wie Orbán zwar legitim gewählt ist, jetzt aber mit allen Mitteln versucht, daß er nie wieder eine Wahl verliert“.

Allerdings: viel Vertrauen auf die Kräfte der Demokratie scheint Fukuyama nicht zu haben, wenn er vorschlägt, ihren Gegnern – der ungarische Präsident Orbán ist freilich überhaupt keiner – kurzerhand das Geld zu streichen: „Man hätte starke finanzielle Hebel, müßte einfach nur damit aufhören, mit EU-Förderungen Orbán zu helfen, seine Macht zu befestigen.“

Allerdings: auch im Westen sieht sich die westliche Demokratie zunehmend in Bedrängnis – und wird offenbar nicht einmal mehr hier als das erfolgreiche „Ende der Geschichte“ gesehen. Doch ihren Kritikern begegnet Fukuyama, der seit den neunziger Jahren Dozent an zahlreichen amerikanischen Universitäten war, weniger mit Argumenten als mit Lamento. Mit Blick auf den Brexit prophezeit er den Briten: „Dann wird deutlich werden, wie schmerzhaft es wirtschaftlich ist, auf einmal ohne die EU dazustehen.“ Das werde all jene, die mit dem EU-Austritt ihrer Länder politische Spiele treiben, leiser treten lassen, droht er subtil.

Dennoch: die großen etablierten Parteien und vor allem die Sozialdemokraten in der EU müßten sich verstärkt der Sorgen von Protestwählern annehmen: „Viele dieser Wähler haben das Gefühl, daß sich die Linke nicht für ihre Ängste interessiert. Hier bräuchten gerade diese Parteien klare Botschaften: ´Europa muß in der Lage sein, Zuwanderung zu kontrollieren, und dafür braucht es strenge Einwanderungsgesetze.´“ Für solche Einsichten freilich braucht man eigentlich keinen Professor Fukuyama. (mü)

Ein Kommentar

  1. Bernd Sydow sagt:

    Zu seinem ersten Buch: Man kann die Sache auch ganz anders sehen, nämlich: Das Ende der Blockkonfrontation zwischen Ost und West war keineswegs „das Ende der Geschichte“, sondern deren Anfang. Damals herrschte das sogenannte „Gleichgewicht des Schreckens“ (die gegenseitige atomare Bedrohung), „die Geschichte“ war erstarrt wie eine Landschaft bei starkem Frost. Gerade im kommunistisch geprägten sowjetischen Machtbereich waren die einzelnen Völker sozusagen „gefesselt“, und die Vielvölkerstaaten wie bspw. Jugoslawien wurden durch die kommunistische Ideologie zusammengehalten. Es gab im Gegensatz zu heute noch keinen islamischen Terrorismus, noch keine millionenschweren Migrantenströme aus inkompatiblen Kulturen nach Europa, noch keine Bedrohung der Lebensart und Identität der europäischen Völker. Dies alles ist jetzt der Anfang einer „neuen Geschichte“.

    Zu seinem zweiten Buch: Mit diesem „outet“ Prof. Fukuyama sich als politisch links kontaminierter Politikwissenschaftler. Sein neues Buch ist ein Mix aus politisch korrekten Attacken auf europäische Patrioten wie Orban und „seinen Einsichten“, die bereits seit etlichen Jahren im öffentlichen Diskurs präsent sind. Und seine Formulierung „Sorgen und Ängste der (Protest)Wähler ernstnehmen“ (sinngemäß), vermittelt den Eindruck, man müsse den „unmündigen“ Bürgern die – unverantwortliche und verhängnisvolle – Migrationspolitik ihrer politischen Entscheidungsträger nur „richtig erklären“, und alles wird gut.

    Es gibt etliche Bücher, die in Zeiten einer fremdkulturellen Massenmigration und der Erosion der inneren Sicherheit für die europäischen Bürgerinnen und Bürger von Nutzen sind. Fukuyamas Buch „Identität“ gehört mit Sicherheit nicht dazu!

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