ZUERST!-Hintergrund: Eskalation im Venezuela-Konflikt: Wird Kolumbien wieder zum willigen Vollstrecker Washingtons?

31. Januar 2019
ZUERST!-Hintergrund: Eskalation im Venezuela-Konflikt: Wird Kolumbien wieder zum willigen Vollstrecker Washingtons?
International
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Foto: Symbolbild

Washington/Bogotá. Mit der wachsenden Eskalation im Venezuela-Konflikt kommt dem Nachbarland Kolumbien wieder steigende Bedeutung zu – als verlängerter Arm Washingtons im nördlichen Lateinamerika. Nicht umsonst machte US-Sicherheitsberater John Bolton mit einer kryptischen Notiz eine unverhohlene Andeutung, als er kürzlich während einer Pressekonferenz den anwesenden Fotografen die Worte vor die Linse hielt: „5000 Soldaten nach Kolumbien“. Offiziell heißt es dazu aus Washington nur: „Alle Optionen sind auf dem Tisch“ – einschließlich der militärischen.

Daß Bolton Kolumbien ins Spiel bringt, entspricht der traditionellen politischen und militärischen Logik Washingtons. Lateinamerika gilt seit mindestens 150 Jahren als der „Hinterhof der USA“. US-Präsident James Monroe meldete bereits 1823 den Anspruch der USA auf die Vorherrschaft auf dem amerikanischen Kontinent an – damals noch in offener Konkurrenz zu den europäischen Kolonialmächten. Seither nimmt sich Washington mehr oder weniger offen das Recht heraus, über die politische Zukunft Lateinamerikas mitzuentscheiden. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intervenierten die USA in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern, von Guatemala über Kuba bis Nicaragua. In der OAS, der Organisation amerikanischer Staaten, die ihren Sitz bezeichnenderweise in Washington hat, haben die USA klar das Sagen.

Es ist auch kein Zufall, daß die US-Botschaft in Kolumbiens Hauptstadt Bogota bis vor wenigen Jahren die weltweit größte war. Kolumbien ist seit Jahrzehnten der wichtigste Anker für die Politik der USA in Lateinamerika. Die Regierungen des Landes sind fast ausnahmslos enge US-Verbündete, agieren praktisch auf Zuruf aus Washington und machen sich auch militärisch immer wieder zum Handlanger der USA.

Die kolumbianische Armee, großzügig von den USA mit Waffen ausgestattet und von US-Experten ausgebildet, setzte bereits in den 1920er-Jahren die Interessen von US-Firmen in Kolumbien mit Gewalt durch.

Ein Höhepunkt dieser militärischen Einflußnahme war der sogenannte „Krieg gegen Drogen“ ab den 1980er-Jahren. Die US-Drogenbehörde DEA versuchte die Kokainproduktion in Kolumbien, dem weltweit wichtigsten Anbaugebiet, zu reduzieren. Dafür wurden nicht nur Eliteeinheiten des US-Militärs eingesetzt, sondern auch die kolumbianische Armee und nicht zuletzt bewaffnete Milizen, die im Sold von Großgrundbesitzern stehen. Der Bürgerkrieg in Kolumbien, der das Land seit den sechziger Jahren in Atem hielt, wurde so noch weiter angeheizt.

Selbst als in Lateinamerika nach der Jahrtausendwende immer mehr linke oder kommunistische Regierungen an die Macht kamen und diese sich von den USA distanzierten, blieb Kolumbien ein treuer US-Verbündeter – und wurde infolgedessen zum erbittertsten Gegner des Nachbarlandes Venezuela, wo sich ebenfalls ein sozialistisches Regime etablieren konnte. Beide Seiten versuchten die Regierung des Nachbarlandes zu destabilisieren, mehrmals war man einem Krieg gefährlich nahe.

Seit Venezuela nach dem Tod von Hugo Chavez in Chaos und Elend versinkt, ist Kolumbien das von der Krise am stärksten betroffene Land. Zehntausende Venezolaner sind über die Grenze nach Kolumbien geflohen, versuchen im Nachbarland Arbeit oder lebensnotwendige Güter zu finden, die es in ihrer Heimat längst nicht mehr gibt.

Eine militärische Intervention der USA in Venezuela ist nicht erst seit der jüngsten Eskalation im Gespräch. US-Präsident Trump hat seit seinem Amtsantritt öffentlich damit spekuliert. Für Alexander Main, Lateinamerika-Experte eines bekannten Think-Tanks in Washington, ist das nur die konsequente Fortsetzung einer Politik, die die USA spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Nachdruck verfolgen: „Es geht darum die US-Vormachtstellung in Lateinamerika zu sichern.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. (mü)

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