Freispruch: Serbenführer Seselj verläßt das Haager Kriegsverbrechertribunal als freier Mann

1. April 2016
Freispruch: Serbenführer Seselj verläßt das Haager Kriegsverbrechertribunal als freier Mann
International
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Foto: Symbolbild

Den Haag. Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien hat den serbischen Nationalistenführer Vojislav Seselj in allen Anklagepunkten freigesprochen. Seine Schuld an Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg auf dem Balkan Anfang der neunziger Jahre sei nicht erwiesen, urteilten die Richter in Den Haag. Seselj sei ein freier Mann, gab der Vorsitzende Richter Jean-Claude Antonetti bekannt.

Prozeßbeobachter hatten mit einer Verurteilung gerechnet. Seselj, der Vorsitzende der Serbischen Radikalen Partei (SRS) ist, mußte sich für die Ermordung Tausender und die Vertreibung Zehntausender Kroaten und Muslime in Bosnien in den neunziger Jahren verantworten. Die Anklage warf ihm vor, paramilitärische Verbände aufgestellt zu haben, die für ihre Greueltaten berüchtigt waren. Zudem hätten seine Reden dazu beigetragen, die ethnische Gewalt gegen Nicht-Serben anzuheizen.

Seselj fand nach der Verkündung des Urteils ungnädige Worte für das UN-Tribunal. Es sei „ein antiserbisches Gericht in der Hand der westlichen Mächte”, sagte er in Belgrad: „Es hat juristisch keinerlei Bedeutung.” Für seine über zwölfjährige Untersuchungshaft beim UN-Tribunal werde er eine Entschädigung von 14 Millionen Euro verlangen.

Seselj wurde 2014 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Im Mai 2015 forderte das Gericht in Den Haag ihn zur Rückkehr auf. Der 61jährige weigerte sich jedoch. Auch zur Verkündung des Urteils erschien er nicht. Vor der Urteilsverkündung hatte er auf Twitter mitgeteilt, er habe ein „reines Gewissen”.

Unmittelbar vor der Urteilsverkündung hatte Seselj erneut mit seinen Gegnern abgerechnet. Die EU ist für ihn der Satan. Der historische Verbündete seines Landes und die „große Liebe” sei Wladimir Putins Rußland. Amerika sieht er verkörpert in der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton: „Es wäre das Allerschlimmste, wenn diese Psychopathin gewinnen würde.”

Seselj war in den neunziger Jahren ein Hauptprotagonist beim Zerfall Jugoslawiens, der seinen Höhepunkt in der 78 Tage dauernden Bombardierung Jugoslawiens im Frühjahr 1999 fand. Nach dem Ende der Jugoslawienkriege setzte er seine politische Karriere fort – auch nachdem im Jahr 2006 der Prozeß in Den Haag gegen ihn eröffnet wurde. Derzeit führt er Wahlkampf. Beobachter rechnen ihm Chancen aus, mit seiner Serbischen Radikalen Partei (SRS) nach der Wahl am 25. April ins Parlament einzuziehen.

Seit seiner Gründung vor über 20 Jahren hat das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien in Den Haag 161 Personen angeklagt. 80 wurden verurteilt. Gegen zwölf Personen laufen noch Verfahren. (mü)

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