Umkämpftes Pipeline-Projekt: Brandbrief gegen „Nord Stream 2“

19. März 2016

Brüssel. Das Pipelineprojekt „Nord Stream 2“, das eine Erweiterung der russischen Gas-Lieferkapazitäten nach Europa vorsieht, wird immer mehr zum geopolitischen Zankapfel. Vor allem Washington betreibt hinter den Kulissen anhaltende Wühlarbeit gegen das Projekt.

Jetzt haben sich infolgedessen die Top-Repräsentanten von acht EU-Ländern mit einem Schreiben an den Chef der EU-Kommission Jean-Claude Juncker gewandt und bringen darin massive Einwände gegen das Pipeline-Projekt vor. Ihrer Meinung würde eine Umsetzung des Projekts die geopolitische Lage destabilisieren.

Der am 7. März verfaßte Brief wurde von den Regierungschefs der Tschechischen Republik, Estlands, Ungarns, Lettlands, Polens, der Slowakei und Rumäniens sowie von der Präsidentin Litauens unterzeichnet. Auch Kroatien soll sich der Initiative angeschlossen haben. Die Verfasser des Briefes warnen vor „potentiell destabilisierenden geopolitischen Folgen“ von Nord Stream 2. Das Projekt „könnte gewisse Risiken für die Energiesicherheit Zentral- und Osteuropas darstellen“.Außerdem werde der Ausbau der Gaspipeline „eine starke Auswirkung auf die Entwicklung des Gasmarktes und das Chema des Gastransits in der Region, insbesondere auf den Gastransit über die Ukraine, haben“, heißt es weiter.

Schon auf dem EU-Gipfel im Dezember kam es zu einer kontroversen Diskussion über einen Ausbau von Nord Stream, nachdem der italienische Premier Matteo Renzi Deutschland vorgeworfen hatte, Berlin verstoße mit der Unterstützung des Pipeline-Projekts gegen den Geist der Rußland-Sanktionen.

Der zweite Strang der Gaspipeline Nord Stream, die streckenweise auf dem Grund der Ostsee verlegt wurde, soll eine Verdoppelung der Gaslieferung nach Deutschland auf 110 Mrd. Kubikmeter im Jahr ermöglichen. Dem Konsortium, das sich mit dem Projekt befaßt, gehören neben dem russischen Gaskonzern Gazprom die deutschen Unternehmen E. ON und Wintershall, die britisch-niederländische Gesellschaft Shell, der österreichische Energiekonzern OMV und die französische Gesellschaft ENGIE an. (mü)

3 Kommentare

  1. Peter Werner sagt:

    Das Manöver ist nur allzu durchsichtig: Wenn das russische Gas künftig nicht mehr durch die ost-europäischen Länder geleitet wird, können die uns nicht mehr die Gasversorgung abklemmen, können uns nicht mehr erpressen. Darum sind es auch ost-europäische Länder, die dagegen protestieren. Und darum sind es auch Länder wie Deutschland/Österreich/Frankreich/Holland, die eine sichere Energieversorgung (für sich selbst) durch eine Ostsee-Pipeline anstreben.

    • Peter Werner sagt:

      In einem haben die ost-europäischen Staaten allerdings recht: Die „geo-politische Stabilität“ beruht auf dem Erpressungs-Potential dieser Staaten gegen Deutschland. Fällt das weg, hätte Deutschland mehr außenpolitische Handlungsfreiheit und könnte sie zu einer Annäherung an Rußland nutzen. Dann wäre Ost-Europa eingeklemmt zwischen Rußland und Deutschland. So wie Deutschland nach Bismarcks Entlassung eingeklemmt war zwischen Rußland und Frankreich, was dann zum 1. Weltkrieg führte. Krieg entsteht nicht durch Streitigkeit zwischen Feinden, sondern durch Einigkeit zwischen Verbündeten. Darum versucht auch USA ständig, einen Keil zwischen Europa und Rußland zu treiben.

  2. Der Rechner sagt:

    potentiell destabilisierenden geopolitischen Folgen?

    könnte gewisse Risiken für die Energiesicherheit Zentral- und Osteuropas darstellen?

    … starke Auswirkung auf die Entwicklung des Gasmarktes und das Chema des Gastransits in der Region, insbesondere auf den Gastransit über die Ukraine, haben?

    Wer mit derartigen unsubstantiierten Gemeinplätzen versucht Politik zu machen sollte besser gleich zu Hause bleiben.

    Nordstream2 verringert die Möglichkeit für Läner wie Polen oder die Ukraine einen Wegelagerer-zoll auf Gaslieferungen von Rußland nach Deutschland zu erheben.

    Und natürlich paßt den betreffenden Ländern der Wegfall dieser Erpressungsmöglichkeit nicht.

    So einfach sieht das aus.

    Wie aus dem Ausbau einer Gasleitung „Risiken für die Energiesicherheit Zentral- und Osteuropas“ entstehen könnten, müßten diese Leute erst einmal erklären. Die bestehenden Risiken haben sie sich ausschließlich selbst zuzuschreiben durch ihre Angewohnheit ihre Gasrechnungen nicht, verspätet oder nur teilweise zu bezahlen.

    Die Herrschaften wollen Sonderpreise wie in Comecon-Zeiten, und gleichzeitig die Vorteile eines freien Welthandels genießen. Den Zahn sollte man ihnen langsam ‚mal ziehen.

    Daß das Projekt gegen den „Geist der Rußland-Sanktionen“ verstößt mag richtig sein. Gegen den Ungeist dieser Sanktionen sollte noch viel öfter verstoßen werden.

    Der italienische Ministerpräsident Renzi, der sich hier über den Geisterverstoß beschwert, sollte vielleicht lieber ‚mal damit anfangen, den Buchstaben der europäischen Verträge einzuhalten. 132,1% des BSP betrug die Staatsverschuldung Italiens Ende 2014, Ende 2015 werden es voraussichtlich 133,5% sein. Vorgesehen sind 60% in den Verträgen. Und vorgesehen ist vor allem, daß Länder die über 60% liegen mit der Neuverschuldung aufhören.

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