Verglichen mit den hitzigen Debatten früherer Tage ist es heute ruhig um die Reform der deutschen Rechtschreibung geworden, die vor 20 Jahren – am 1. Dezember 1995 – in Mainz von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen wurde. In der Pressemitteilung der KMK wurde als Grund für die Neuregelung lapidar verkündet, sie „soll das Schreiben vereinfachen“. Die Kultusminister der Länder legten damals fest, daß die Reform zum 1. August 1998 eingeführt werden soll, allerdings mit einer siebenjährigen Übergangsfrist, in der die traditionelle Schreibung nicht als fehlerhaft gewertet wird. An den bundesdeutschen Schulen galt die neue Orthographie vom 1. August 2005 an, außer in Nordrhein-Westfalen und Bayern, die erst ein Jahr später nachzogen. In Österreich war es am 1. August 2008 soweit.
Die Geschichte dieser Reform ist so chaotisch wie das Regelwerk selbst, es gab Gerichtsverfahren und Volksbegehren, mehrere Rück-Reformen und Reformen der Reform, Verlage kehrten zur alten Schreibung zurück, um sich später dann doch wieder anders zu entscheiden. ZUERST! gehört zusammen mit der im gleichen Verlag erscheinenden Deutschen Militärzeitschrift (DMZ) zu den wenigen Medien, die konsequent die Tradition der herkömmlichen Rechtschreibung fortsetzen.
Kritik hagelte es nicht nur an den Inhalten der Reform, sondern auch an der Art der Umsetzung. Von Transparenz oder gar Beteiligung war nicht viel zu spüren. Kein Wunder, daß sich eine satte Mehrheit der Bevölkerung nie mit der neuen Schreibung angefreundet hat, wie Umfragen immer wieder belegt haben. Große Worte macht die Politik heute nicht mehr um das Thema, sonst müßte wohl zugegeben werden, daß dieses milliardenteure Experiment ein gigantischer Fehlschlag war.
Das Schreiben ist nicht einfacher geworden – im Gegenteil: In den Schulen habe die Reform „die Fehlerquote nahezu verdoppelt“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einer kritischen Bilanz vom 1. August. Das Blatt hatte lange an der bewährten Schreibung festgehalten, dann aber auf eine „Hausorthographie“ umgestellt, die sich weitgehend an der neuen Schreibung ausrichtet. In dem Beitrag wird dankenswerterweise nicht verschwiegen, daß es bei der Reform von Anfang an um ein ideologisches Projekt ging. Eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern um den Germanisten Gerhard Augst habe die alten Regeln als Maßnahme der „Unterdrückung breiter Volksschichten“ angesehen und wollte „die Sprachgemeinschaft aus dem Joch der Regeln befreien“. Ein typischer linksemanzipatorischer Ansatz.
(…)
Doch nachdem sie ein Zeichen gesetzt hatte, wurde die geistige Elite ruhiger. Zäh gekämpft hat dagegen Thomas Paulwitz, Chefredakteur der Deutschen Sprachwelt, der noch 2006 ein ironisches „Internet-Denkmal“ für die Urheber der neuen Regelung einrichtete. Und selbst der Vorsitzende des 2004 zur Wiederherstellung des „Sprachfriedens“ eingerichteten Rates für deutsche Rechtschreibung Hans Zehetmair zieht heute kritisch Bilanz. Die Reform sei „in dieser Form“ überflüssig gewesen, gab der CSU-Politiker, der als damaliger bayerischer Kultusminister mitverantwortlich dafür war, in einem Interview mit der Zeit zu. Für einen Politiker ungewöhnlich selbstkritisch, räumte er ein, daß er „nicht frühzeitig die Tragweite erkannt und die Reform in geordnete Bahnen gelenkt habe“.
Noch deutlicher werden manche Kommentatoren. Die Reform habe die Auflösung der sprachlichen Verbindlichkeit bewirkt, meinte etwa die Mitteldeutsche Zeitung. Heute schreibe jeder so, wie er will. „Regellosigkeit ist die Regel“, so das Blatt. „Nach dem Komma und all den anderen Satzzeichen stirbt die Grammatik, sterben Satzbau und der Anspruch, Gedanken geradeaus zu formulieren.“ Auch die FAZ empfindet die „Bilanz dieses obrigkeitlichen Gewaltaktes der Kultusbürokratie an der Sprache“ als ernüchternd. Die Neuregelung habe zu einer „sinnentstellenden Entdifferenzierung der Sprache geführt“. Den heutigen Zustand könne man „als sichtbares Schreibchaos charakterisieren“. Auch der Volksmund kann sich mal irren. Was lange währt, wird leider nicht immer gut. (Dirk Reinartz)
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War „Schlechtschreibreform“ eigentlich mal Wort oder Unwort des Jahres?
Dieser Quark geht mir waagerecht am Arxxh vorbei.
Warum sollte ich das einmal gelernte und ein erfolgreiches Leben lang angewandte wegen einigen Spinnern kastrieren ?
Nein. Mit mir nicht.
Wem das nicht paßt soll meine „Ergüsse“ einfach nicht lesen.