Russische Luftangriffe in Syrien: Erfolgreich, aber nicht ohne Kollateralschäden

25. Oktober 2015
Russische Luftangriffe in Syrien: Erfolgreich, aber nicht ohne Kollateralschäden
International
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Foto: Symbolbild

Moskau. Die USA und eine von ihnen geführte Koalition bekämpft nach eigenen Aussagen seit August 2014 die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) mit Luftschlägen. Signifikante Erfolge konnten dabei nicht erzielt werden, im Gegenteil, das vom IS kontrollierte Territorium in Syrien und im Irak vergrößerte sich in dieser Zeit sogar noch.

Ein ganz anderes Bild bietet sich bei den Angriffen, die die russische Luftwaffe seit dem 30. September fliegt. Nach Angaben des Moskauer Verteidigungministeriums haben russische Kampfflugzeuge und Hubschrauber bisher insgesamt 934 Kampfeinsätze geflogen (Stand: 22. Oktober). Davon sollen allerdings, behauptet unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters, nur 15 Prozent gegen den IS gerichtet gewesen sein. Allein am 21. Oktober wurden 46 Kampfeinsätze gegen 83 Bodenziele geflogen.

Nach Angaben des Moskauer Generalstabes sind bei den Angriffen 819 „Objekte der Terrorinfrastruktur“ zerbombt worden. Allein in den vergangenen Tagen seien 363 Ziele zerschlagen worden, darunter 71 Kommando- und Fernmeldestellen, zehn Sprengstoff-Fabriken, 30 Benzin- und Waffenlager, teilte Andrej Kartapolow, Chef der Operativen Hauptverwaltung des Generalstabs, am Donnerstag mit.

Der Schweizer Politik- und Wirtschaftswissenschafter sowie Professor für Strategische Studien an der ETH Zürich und der Universität Zürich Albert A. Stahel kommt zu einem differenzierteren Befund. Er hat das russische Fotomaterial analysiert und stellt fest, daß es sich bei den von den Jagdbombern Su-24 Fencer mitgeführten Bomben um „ungenaue“ Freifallbomben des Typs OFAB-250-270 handeln dürfte. Abwürfe dieses Bombentyps über Städten wie Damaskus und Aleppo hätten, wie auch frühere Luftkriege zeigten, verheerende Wirkungen auf die Zivilbevölkerung. Die Wahrscheinlichkeit, daß unschuldige Zivilisten getötet werden, sei sehr hoch. Die gleiche Wirkung hätten auch die eingesetzten ungelenkten Raketen, die durch die Erdkampfflugzeuge Su-25 (NATO-Codebezeichnung: „Frogfoot“) und die Kampfhubschrauber Mi-24 auf Bodenziele abgefeuert werden.

Auch ein russisches Drohnenvideo, das im Internet kursiert, bestätigt diesen Befund. Es zeigt ausgedehnte Ruinenfelder im umkämpften Stadtgebiet von Damaskus.

Nach Stahels Einschätzung entspricht der russische Luftkrieg in Syrien, was Zielsetzung und Einsatzweise betrifft, jenem Luftkrieg, den die frühere Sowjetunion von 1979 bis 1989 in Afghanistan geführt hat. Damals wurden ganze Dörfer im Pandschirtal und in der Nangarharprovinz im östlichen Afghanistan aus der Luft ausradiert. Für diese Bombardierungen aus der Luft wurden, wie auch derzeit in Syrien, Kampfhubschrauber Mi-24 und Erdkampfflugzeuge Su-25 eingesetzt.

Die russischen Bombardierungen von Zielen in den größeren Städten sollen nach verschiedenen Berichten auch zu Opfern unter der Zivilbevölkerung und zu Fluchtbewegungen geführt haben. Nach Angaben der Syrian Observatory for Human Rights sollen 370 Menschen getötet worden sein, davon ein Drittel Zivilisten. Russische Militärkreise verweisen gleichwohl auf die zahlreichen mit großer Präzision getroffenen Infrastrukturziele, die Kampfkraft und Logistik der syrischen Terrorgruppen massiv geschädigt hätten. (mü)

4 Kommentare

  1. Karl sagt:

    Die Meldungen des ru.Verdeitigungsministeriums sind eindeutig. Das hinein hineininterbretieren durch sog. Spezialisten ändert daran nichts. Die Ausrüstung der russischen Luftwaffe hat ein vollkommen anderes Niveau als z.B. in Afghanistan.Flächenbombartements sind absolut unrealistisch. Für die Zerstörung von z.B. Krankenhäuser sind ja bekanntlich die Amis Spezialisten.

  2. Horst S. sagt:

    Keinesfalls trifft die Russen irgendeine Schuld. In der UNO waren sie von vornherein gegen irgendeinen Eingriff in Syrien, aufgrund der schlechten Erfahrungen kurz vorher in Libyen. Militärisch werden die Russen ihr technisch Bestes geben und sich hüten, die Syrer zu Feinden zu machen. Politisch sind allein die US-Hochfinanzfaschisten schuld, die sich, oft jenseits gewählter Regierungen, mindestens seit 1915 (einseitige Waffenlieferungen an die Entente trotz zunächst erklärter Neutralität) global in fremde unverstandene Kulturkreise einmischen und nichts als Völkermord und Durcheinander anrichten, seit 1980 besonders im Mittleren und Nahen Osten.

    Zu Afghanistan: Die Russen (damals noch Sowjets) sind von der afghanischen Regierung um Hilfe gegen Religionsterroristen gebeten worden. Die zunächst (im säkular-aufklärerischen Sinne) sehr effektive Hilfe wäre wenig kriegerisch und wenig blutig gewesen, wenn sich nicht die USA eingemischt hätten, die genau die Religionsterroristen massivst mit Waffen beliefert haben und sogar mit eigens vom CIA verfassten Religionsbüchern, die aus besonders aggressiven Zitaten aus der mohammedanischen Tradition zusammengetrickst waren und überhaupt erst den extrem gefährlichen sog. Islamismus herangebildet haben: https://www.globalissues.org/article/430/from-us-the-abcs-of-jihad

  3. Der Rechner sagt:

    Vielen Dank für diesen interessanten, sorgfältigen und ausgewogenen Bericht.

    Terroristen halten sich leider nicht an die Genfer Konvention und pflegen sich bevölkerungsnah zu verschanzen. Weshalb zivile Kollateralschäden im Kampf gegen sie leider unvermeidlich sind.

  4. A.S. sagt:

    Die von der VSA-Propaganda erfundene „chirurgische Präzision“ gibt es auch mit aufwendigeren Waffensystemen letztlich nicht.
    Ein Krieg ist nicht aus der Luft zu gewinnen, auch nicht bei totaler Vernichtung der feindlichen Infrastruktur.
    Nur der Angriff und die Eroberung des gegnerischen Teritoriums durch Bodentruppen, kann einen Staat oder Quasistaat, der zum totalen Widerstand entschlossen ist, besiegen.
    Bei diesem Krieg am Boden würde ebenso alles zerschossen, wie es durch Luftangriffe geschieht.
    Die Russen machen in Syrien also nichts falsch, im Gegenteil. Sie tun, was getan werden kann und muß.

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