Grotestkes Urteil – Stuttgarter „Mammutprozeß“ gegen Nationalisten ging früher zu Ende als gedacht

15. Oktober 2015
Grotestkes Urteil – Stuttgarter „Mammutprozeß“ gegen Nationalisten ging früher zu Ende als gedacht
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Artikel „Groteskes Urteil“ aus der aktuellen Druckausgabe des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!

Schon weit über drei Jahre lang läuft in Koblenz der Prozeß gegen mutmaßliche „Rechtsextremisten“ des Aktionsbüros Mittelrhein. Ende Juli fand der 200. Verhandlungstag gegen die mittlerweile noch 20 Beschuldigten statt. Prozeßtermine sind bis Ende 2016 festgelegt, anschließend dürfte es eng werden, denn der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen will im Juni 2017 in den Ruhestand treten. Immerhin bis September 2016 sind Termine für den Münchner NSU-Prozeß eingetragen, der seit Mai 2013 läuft. Beide Mammutverfahren verschlingen Kosten in zigfacher Millionenhöhe. Seit Januar sollte in Stuttgart der dritte Megaprozeß hinzukommen, 94 Verhandlungstage waren angesetzt, um vier Angeklagten der Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP) die Bildung einer kriminellen Vereinigung nachzuweisen. Wie grotesk der Vorwurf angesichts der Tatsache ist, daß die 40 Anklagepunkte fast ausschließlich Bagatelldelikte wie kleinere Sachbeschädigungen und Beleidigungen umfaßten, hatte ZUERST! in der März-Ausgabe bereits berichtet. Dennoch sind im August – vorzeitig – die Urteile gefällt worden. Drei Angeklagte wurden wegen „Rudelsführerschaft“, einer wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt.

Die beiden Jüngeren, die der „Szene“ längst den Rücken gekehrt und mit den Behörden kooperiert hatten, erhielten Bewährungsstrafen von 14 und 16 Monaten, dagegen sollen die Älteren für 26 bzw. 28 Monate ins Gefängnis. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß beide seit einer Razzia im Februar 2014 in Untersuchungshaft saßen. Sie kamen nach dem Urteil zunächst auf freien Fuß, da es noch nicht rechtskräftig war. Die Verkürzung des Prozesses hatte sich bereits im Juni angekündigt, als die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beweiserhebung in 20 angeklagten Punkten beendete.

Die Angeklagten Manuel M. (34) und Manuel G. (29), die bis dahin geschwiegen hatten, gaben Ende Juli umfangreiche Erklärungen ab, in denen sie die Vorwürfe der Anklage – ganz besonders die Bildung einer kriminellen Vereinigung – klar zurückwiesen. Das Ganze sei eher „ein großer Kindergarten“ gewesen, so Manuel M. in der von seinem Anwalt verlesenen Stellungnahme. Dennoch forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer Haftstrafen von bis zu zwei Jahren und neun Monaten. Das Gericht blieb letztlich jeweils knapp unter dem beantragten Straßmaß.

Die Anwälte von drei der vier Angeklagten hatten dagegen Freisprüche gefordert. Sie entgegneten der Staatsanwaltschaft, „daß es an einer wesentlichen Grundvoraussetzung für eine Verurteilung fehle: Einen gemeinsamen Willen, Straftaten zu begehen, habe es bei der ANGP nicht gegeben“, so die Stuttgarter Nachrichten. Für Bagatelldelikte mehrjährige Haftstrafen zu verhängen – „das würde wirklich an politische Justiz grenzen“, zitierte das Blatt den Rechtsanwalt Andreas Wölfel. Das Gericht stellte in der Urteilsbegründung klar, daß dies selbstverständlich kein politischer Prozeß gewesen sei und es den Tatbestand der kriminellen Vereinigung allein aufgrund der Beweiserhebung für erwiesen halte. Gegen weitere 13 Beschuldigte der ANGP wurde inzwischen Anklage erhoben.

Die regionale Presse jubelte über die Verurteilungen, bezweifelte aber einen erzieherischen Effekt auf die Angeklagten. „Um so wichtiger ist deshalb, daß das breite Bündnis gegen rechts in der Stadt weiter am Ball bleibt – damit Göppingen auch in Zukunft eine bunte Multikulti-Stadt bleibt“, so Karin Tutas in der Südwest Presse. Auch ihr Kollege Eberhard Wein von der Stuttgarter Zeitung bekräftigte, das Urteil lasse „nichts an Klarheit vermissen“ und sei hilfreich für Göppingen. Zaghafte Bedenken müssen ihm aber doch gekommen sein, so hieß es in seinem Kommentar: „Gemessen an den Straftaten, die sonst kriminellen Vereinigungen vorgeworfen werden, hören sich die Taten, die zur Verurteilung von Göppingens Autonomen Nationalisten geführt haben, einigermaßen harmlos an.“

Es wäre ihm sicher leichtgefallen, ein vergleichbares Beispiel zu finden. 2012 hatte das Landgericht Stuttgart gegen sechs Mitglieder der berüchtigten Multikulti-Straßengang „Black Jackets“ verhandelt, die in Ludwigsburg ihr Unwesen trieben. Alter: zwischen 20 und 33, Prozeßdauer: ein halbes Jahr, Ergebnis: ein Freispruch, eine Bewährungsstrafe, vier Jugend- und Haftstrafen bis zu vier Jahren. Auf das Konto der Schwarzjacken gingen Straftaten wie Besitz und Handel mit verbotenen Muskelaufbau Präparaten, Hehlerei, Geldwäsche, gewerbsmäßiger Betrug, räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung. Der Unterschied: „Die Black Jackets Ludwigsburg sind keine kriminelle Vereinigung und auch keine Bande“, zitierte die Backnanger Kreiszeitung die Vorsitzende Richterin. (Robert Diehl)

3 Kommentare

  1. Ferdinand Wittmann sagt:

    Wer sich über den Prozess Informieren möchte, kann dies unter folgenden Verweis tun.

    https://prozesskoblenz.wordpress.com/

  2. Der Rechner sagt:

    O-Ton Systemjustiz: „Der Unterschied: “Die Black Jackets Ludwigsburg sind keine kriminelle Vereinigung und auch keine Bande”, zitierte die Backnanger Kreiszeitung die Vorsitzende Richterin.“

    Unfassbar.

    Selbst wenn wegen schlampiger Ermittlungen der Systempolizei keine Beweise für das Bestehen einer kriminellen Vereinigung bei den „Black Jackets Ludwigsburg“ erhoben wurden, so spricht doch die Lebenserfahrung dafür, daß sie eine sind.

    Daß diese Schandrichterin der Bande jetzt auch noch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gibt ist ein Justizskandal erster Güte.

    Oder wäre es, wenn Rechtsbeugung durch kriminelle Richter nicht inzwischen eine alltägliche Erscheinung wäre in der BRD.

  3. Ali Mente sagt:

    Es ist sicher kein Zeichen von Stärke, wenn das Regime jetzt auf die nationalen Kräfte derart einprügelt. Weiß sich denn die Justiz so gar nicht anders darzustellen? Dieses gnadenlose Wüten wird ihr keine Ehre einbringen, falls dieses Adjektiv auf eine Systemjustiz überhaupt anwendbar ist.

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