Ukraine-Krise: Ohne deutsch-russische Partnerschaft steht „die Welt am Abgrund“

21. November 2014
Ukraine-Krise: Ohne deutsch-russische Partnerschaft steht „die Welt am Abgrund“
Dr. Stefan Scheil
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Foto: Symbolbild

Zu den Feiern zum 25. Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer 1989 war viel internationale Prominenz in die deutsche Hauptstadt eingeladen worden. Darunter befand sich auch Michail Gorbatschow, der seinerzeit als Parteichef der KPdSU mit seiner Politik der Perestroika den Untergang der Sowjetunion vorantrieb, obwohl er genau das Gegenteil beabsichtigt hatte. Daß die deutsche Teilwiedervereinigung geglückt ist, verdanken wir auch dem Umstand, daß Gorbatschow die Truppen der „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ in der Wendezeit in den Kasernen gelassen hat. Während ihm im Westen dafür Bewunderung entgegengebracht wurde, sahen das viele Russen und andere Völker der UdSSR völlig anders: Für sie war er der Totengräber der Weltmacht Sowjetunion.

Da seine Stimme bei uns vor dem Hintergrund seiner historischen Rolle im Vereinigungsprozeß einiges Gewicht hat, besteht die berechtigte Hoffnung, daß man seine Argumente in bezug auf die Ukraine-Krise würdigt. Gorbatschow sagte: „Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen.“ In den letzten Monaten habe sich ein „Zusammenbruch des Vertrauens“ vollzogen. Gorbatschow schloß mit seiner Warnung an seine jüngsten Aussagen an, in denen er bereits auf die Gefahren der Zuspitzung in Europa hingewiesen hatte. Damals hatte er gesagt: „Die Welt steht am Abgrund eines großen Unglücks.“

Der Friedensnobelpreisträger warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Statt dessen habe man sich zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Rußlands Schwäche gezogen. „Die Ereignisse der vergangenen Monate sind die Konsequenzen aus einer kurzsichtigen Politik, aus dem
Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen und die Interessen des Partners zu ignorieren.“ Bereits in den 1990er Jahren habe der Westen begonnen, das vertrauensvolle Verhältnis zu Rußland zu untergraben. „Die NATO-Erweiterung, Jugoslawien und vor allem das Kosovo, Raketenabwehrpläne, Irak, Libyen, Syrien“, nannte Gorbatschow als Beispiele. „Und wer leidet am meisten unter der Entwicklung? Es ist Europa, unser gemeinsames Haus.“ Und weiter: „Hier in Berlin, zum Jahrestag des Mauerfalls, muß ich feststellen, daß all dies auch negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland hat. Laßt uns daran erinnern, daß es ohne deutsch-russische Partnerschaft keine Sicherheit in Europa geben kann.“

Ob Angela Merkel, mit der sich Gorbatschow am 10. November getroffen hat, auf ihn hört? Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben, aber die Chancen dafür sind gering. Eine souveräne, auf die Durchsetzung der eigenen Interessen gerichtete Politik findet in Berlin nicht statt. Und die einfache Wahrheit, daß es Europa nur nützen kann, wenn es gute Beziehungen zu Rußland unterhält, kann nicht durchdringen, solange in Brüssel – orchestriert aus Washington – nur nach dem Motto „friß oder stirb“ Politik gemacht wird.

Olaf Haselhorst ist Chefredakteur der gesamtdeutschen Wochenzeitung “Der Schlesier”

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