ZUERST!-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter: „In Syrien tobt kein Bürgerkrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg“

10. August 2013

Manuel Ochsenreiter, geboren 1976, ist Chefredakteur des Deutschen Nachrichtenmagazins ZUERST!. Er bereist seit vielen Jahren den Nahen Osten und berichtet als einer der wenigen westlichen Journalisten direkt aus dem syrischen Kriegsgebiet.

DMZ: Herr Ochsenreiter, seit mehr als zwei Jahren tobt in Syrien ein Krieg, in dem bislang nach UN-Schätzungen mehr als 90.000 Menschen ums Leben kamen. Sie sind derzeit selbst in Syrien – wie ist die Lage derzeit?

Ochsenreiter: Die syrische Armee macht große Fortschritte im Kampf gegen die vielen verschiedenen Rebellengruppen, die sich in Syrien befinden. In den vergangenen Monaten ist es den syrischen Streitkräften gelungen, sowohl Al-Kusair an der syrisch-libanesischen Grenze als auch Homs praktisch wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch in anderen Regionen kommt die Armee im Kampf gegen bewaffnete Gruppen gut voran. An der syrisch-türkischen Grenze ist die Situation allerdings nach wie vor sehr kritisch, was mit der anhaltenden Unterstützung für die Freischärler aus der Türkei zu tun hat.

DMZ: Ist also ein Ende des Krieges in Sicht?

Ochsenreiter: Nein. Solange die bewaffneten Gruppen Nachschub an Kämpfern, Waffen und Material bekommen, wird dieser Krieg weitergehen.

DMZ: Woher kommt dieser Nachschub?

Ochsenreiter: Die größte Teil dürfte über die türkisch-syrische Grenze kommen. In der Türkei befinden sich Ausbildungslager für Kämpfer, die aus aller Welt kommen, um in Syrien in den Dschihad zu ziehen. Derzeit sollen sich Kämpfer aus mehr als 25 Staaten in Syrien befinden, darunter etwa 1.000 Terroristen mit EU-Pässen. Im Kampfgebiet Aleppo befinden sich derzeit viele tschetschenische Freischärler, vor einigen Wochen „meldeten“ die afghanischen Taliban die Ankunft mehrerer hundert Kämpfer in Syrien. Geld, Waffen und Munition kommen aus dem Westen und aus den arabischen Golfmonarchien – teilweise auf verschlungenen Pfaden. Doch die Waffenfunde der syrischen Armee sind eindeutig: Viele Waffen der Rebellen sind westliche Fabrikate. In Syrien tobt kein Bürgerkrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg.

DMZ: Welche Rolle spielt Deutschland in diesem Krieg?

Ochsenreiter: Deutschland ist an diesem Krieg beteiligt. Auf der türkischen Seite der Grenze zu Syrien sind Soldaten der Bundeswehr mit „Patriot“-Raketensystemen stationiert. Gleichzeitig unterstützt die Bundesregierung die sogenannte syrische „Opposition“ finanziell und logistisch. Diese Politik ist gegen die eigenen nationalen Interessen – vor allem auch gegen die Sicherheitsinteressen! – gerichtet. Berlin folgt stattdessen den Weisungen aus Washington, London und Paris.

DMZ: Auch deutsche Dschihadisten sollen sich in Syrien befinden…

Ochsenreiter: Die geschätzte Zahl schwankt zwischen 60 und 100. Ein Großteil dieser Kämpfer dürfte aus Zuwanderern mit deutschem Paß aus dem arabisch-islamischen Raum stammen. Die deutschen Sicherheitsbehörden sorgen sich derzeit nur darum, was geschieht, wenn ein Teil dieser Freischärler wieder nach Deutschland zurückkehrt. Insgeheim hofft man wohl in Berlin, daß die syrische Armee das Problem löst. Dabei sollte man sich viel mehr der Frage widmen, wie diese brandgefährlichen Migranten überhaupt einen deutschen Paß bekommen konnten – und wie viele von ihnen sich noch in Deutschland befinden.

DMZ: Herr Ochsenreiter, vielen Dank für das Gespräch

Dieser Beitrag erschien zuerst in der „Deutschen Militärzeitschrift“ (DMZ).

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