Schummelagentur

22. Juli 2013
Foto: Bundesagentur für Arbeit

Foto: Bundesagentur für Arbeit

Bei der Bundesagentur für Arbeit scheint einiges nicht mit rechten Dingen zuzugehen

In einem internen Prüfbericht vom November 2012, der erst vor wenigen Wochen bekanntgeworden war, erhebt der Bundesrechnungshof schwere Vorwürfe gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA). Um eine möglichst hohe Zahl von Vermittlungserfolgen vorweisen zu können, konzentrierten sich die Arbeitsagenturen auf leicht zu vermittelnde „Kunden“ und vernachlässigten Langzeitarbeitslose. Überdies gebe es Manipulationen: Auszubildende, die kurz vor dem Ende der Lehre stünden und von ihrem Betrieb bereits eine Übernahme zugesichert bekommen haben, würden dazu gedrängt, sich vorübergehend arbeitslos zu melden, um kurz darauf als „erfolgreich vermittelt“ in der Statistik zu landen.

Schon 2011 hatte der Rechnungshof drei Monate lang sieben der 156 Arbeitsagenturen und zusätzlich sieben Regionaldirektionen systematisch überprüft. „Die Tatsache, daß wir in allen geprüften Agenturen Fehlsteuerungen festgestellt haben, zeigt, daß es sich um ein grundsätzliches Problem handelt“, zitiert der Spiegel aus dem Bericht. Den Vermittlern hielten die Prüfer ein „diskriminierendes Vorgehen“ vor. Im Untersuchungszeitraum sei für mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen kein einziger Stellensuchlauf durchgeführt worden, zu 45 Prozent habe es nicht einmal eine ernsthafte Kontaktaufnahme gegeben. Aus Sicht des Rechnungshofs seien „personalrechtliche“ wie auch „strafrechtliche Konsequenzen“ denkbar.

Die Bundesagentur für Arbeit beteuerte, sie nehme die Vorwürfe sehr ernst und räumte einzelne Fehlentwicklungen ein. „Es gibt aber weder einen Sta-tistik- noch einen Vermittlungsskandal“, beschwichtigte BA-Chef Frank-Jürgen Weise bei der monatlichen Vorstellung der Arbeitslosenzahlen. Kurz vorher hatte er sich im Interview mit Spiegel Online auf die Einzelfall-These zurückgezogen: „Wenn sich jemand selbst entscheidet, einen Vorgang nicht wahrheitsgemäß zu dokumentieren, dann ist das die Entscheidung des Einzelnen, aber nicht systemisch angelegt.“ Daß die Fehlsteuerung bei der Vermittlung tatsächlich mit System erfolgt, glaubt indessen nicht nur die Opposition. Auch die von der BA selbst angekündigten Reformen sprechen dafür.

Jede Arbeitsagentur erhält von der Zentrale Zielvorgaben für die Vermittlung. Deren Erfüllung entscheidet über die Bewertung. In diese Bewertung gehen die Vermittlungserfolge bei Langzeitarbeitslosen aber nur zu weniger als einem Fünftel ein. Die Vermittlung von Menschen, die keine Leistungen von der BA beziehen, spielt so gut wie gar keine Rolle. Von der Bewertung „hänge es aber ab, ob die Führungsebenen einer Agentur überhaupt Bonuszahlungen erhalten – und wie hoch diese sind“, so Spiegel Online. Demzufolge kann es also gar kein Zufall sein, wenn sich die Vermittler auf die leicht und schnell zu vermittelnden Teile ihrer Kundschaft konzentrieren.

Das weiß man auch bei der Bundesagentur. In einem Rundschreiben an die Mitarbeiter kündigte die Behörde kurz nach Bekanntwerden des Rechnungshof-Berichts an: „In der Folge wird das Zielsystem ab 2014 um qualitative Elemente ergänzt, so daß Ihre Bemühungen um aufwendiger zu integrierende Kunden richtig bewertet werden.“ Bisher wird jede Vermittlung gleich bewertet, egal ob sie mit geringem oder hohem Einsatz zustande kommt. Künftig soll mehr auf „Nachhaltigkeit“ geachtet werden, das heißt, daß vermittelte Arbeitslose ihre Stellen auch längerfristig behalten. Damit will man auch den Anteil der Vermittlung in Zeitarbeit zurückfahren, der immer noch bei gut einem Drittel liegt. Höher bewertet werden soll außerdem die Anwerbung von Stellen bei kleineren und mittleren Unternehmen.

Entsprechende Ankündigungen kamen sowohl von BA-Chef Weise als auch vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Behörde Peter Clever. „Wir müssen andere Akzente setzen“, sagte Clever, der für die Arbeitgeber im Verwaltungsrat sitzt. Indessen forderte Linkspartei-Chef Bernd Riexinger, daß Frank-Jürgen Weise im Bundestag zu den Vorwürfen Stellung nehmen soll. Die Partei verwies darauf, daß in der Statistik der Bundesagentur für den Monat Juni 2.864.663 Arbeitslose an-gegeben seien. Fehlen würden aber weitere 873.335 Erwerbslose, die zum Beispiel in „Eingliederungsmaßnahmen“ sind oder sogenannte Ein-Euro-Jobs ausführen.

Beobachter mutmaßen, daß die Vernachlässigung der heimischen Arbeitskräfte-Potentiale auch insofern System haben könnte, daß sich die politische Klasse längst auf die Option „Zuwanderung“ festgelegt habe, um Bedürfnisse des Arbeitsmarkts zu bedienen. Vor diesem Hintergrund sind die jetzigen Enthüllungen für die politisch Verantwortlichen mehr als ärgerlich. Bauernopfer wird es voraussichtlich aber nicht geben. Im Februar 2002 mußte dagegen Weise-Vorvorgänger Bernhard Jagoda seinen Hut nehmen, nachdem herausgekommen war, daß die BA jahrelang Vermittlungsstatistiken getürkt hatte.

 

Robert Diehl

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