Flaggen vor der EU-Kommission in Brüssel
(Foto: Wikimedia/Sébastien Bertrand, CC BY 2.0)
Brüssel. Die Privatisierung der Trinkwasserversorgung hat durch die Eurokrise wieder Fahrt aufgenommen. Griechenland und Portugal wurden bereits von der Troika genötigt, Teile ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung zu privatisieren.
Doch dies könnte nur der Beginn einer neuen großen Privatisierungswelle sein, die auch vor Deutschland nicht haltmacht. Fiskalpakt und Schuldenbremse könnten schon bald europaweit die öffentliche Hand zwingen, auch die Trinkwasserversorgung zu privatisieren, und mit einem neuen Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe will die EU-Kommission die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen.
Ein Beispiel für die Folgen der Privatisierung der Trinkwasserversorgung ist Großbritannien. Dort wurde Ende der 80er Jahre die Wasserversorgung radikal privatisiert. In der Folge stiegen die Wasserpreise inflationsbereinigt binnen zehn Jahren um 46 Prozent an. Die Gewinne der Versorger stiegen im gleichen Zeitraum um 142 Prozent, einige Unternehmen zahlten ein Viertel der Einnahmen direkt als Dividende an die Aktionäre aus. Gespart wurde allerdings an den Investitionen ins Versorgungsnetz. Nach zehn Jahren privater Bewirtschaftung hatten einige britische Städte ein maroderes Netz als die meisten Drittweltstaaten. In London war das Netz derart heruntergewirtschaftet, daß die Leitungsverluste sich auf 40 Prozent summierten, was – neben immensen Schäden durch das auslaufende Wasser – dazu führte, daß ganze Teile Londons nicht mehr mit dem nötigen Wasserdruck versorgt werden konnten.
Jetzt, im deutschen Wahlkampf 2013, betonen die Unionsparteien, gegen die Wasserprivatisierung zu sein. Doch im Bundestag sieht die Sache anders aus. Dort stimmten die Abgeordneten von CDU und CSU gegen einen Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, sich in Brüssel gegen EU-Pläne zu stellen, die kommunale Wasserwerke unter verstärkten Privatisierungsdruck setzen.
Dagegen setzt sich die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Wasser ist ein Menschenrecht“ („Right 2 Water“) zur Wehr. Sie fordert den freien Zugang zur Wasser- und sanitären Grundversorgung und protestiert gegen die von der EU angestrebte Liberalisierung der Wasserwirtschaft. Die EU-Rechtsvorschriften sollten die Regierungen dazu verpflichten, für alle Bürger und Bürgerinnen eine ausreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser sowie eine sanitäre Grundversorgung
sicherzustellen.
Doch nun könnte die Europäische Bürgerinitiative gegen Wasserprivatisierung scheitern. Zwar verkündete die Europäische Union im Jahr 2009 vollmundig, daß mit der Europäischen Bürgerinitiative, die durch den Lissabon-Vertrag ins Leben gerufen wurde, endlich direkt-demokratische Volksinitiativen möglich seien. Doch erwies sich diese Ankündigung als verfrüht und als Mogelpackung, wie man am Beispiel der Europäischen Bürgerinitiative gegen die Wasserprivatisierung erkennen kann.
Denn: Die Volksinitiative hat zwar die geforderten eine Millionen Unterschriften mit 1,4 Millionen Unterstützern längst erreicht, die Mindestunterschriftenanzahl aber nur in fünf EU-Ländern übersprungen. Dies könnte dazu führen, daß die Bürgerinitiative durch die EU zu Fall gebracht wird.
Und: Um nicht zuviel Basisdemokratie zuzulassen, hat die EU neben der Mindestanzahl von einer Million Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative eine weitere Hürde eingebaut. Die Mindestzahl der vorgeschriebenen Unterschriften muß laut Lissabon-Vertrag nicht nur insgesamt innerhalb der EU, sondern zusätzlich in mindestens sieben der 27 Mitgliedsstaaten überschritten werden.
Derzeit überspringt die Bürgerinitiative die individuell festgelegten Hürden aber nur in Österreich, Belgien, Deutschland, der Slowakei und Slowenien. Noch ist bis zum 1. November 2013 Zeit, in mindestens zwei weiteren EU-Mitgliedstaaten die Hürden zu nehmen. Aussichtsreiche Kandidaten dafür sind aktuell Luxemburg, Finnland, Italien und Litauen.
Die bisherige Bilanz der EU-Basisdemokratie ist jedoch ernüchternd. Von den rund 30 vorgeschlagenen Bürgerinitiativen haben nur 14 erfolgreich die Zulassungshürden genommen. In keinem einzigen Fall ist einer Volksinitiative bisher politischer Erfolg beschieden gewesen. Dies läßt erahnen, wie „demokratisch“ es in den geplanten Vereinigten Staaten von Europa zugehen wird.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.