Kiew. In weniger als zwei Wochen, am 31. März, findet in der Ukraine der erste Durchgang der Präsidentschaftswahlen statt. Westliche Medien suggerieren, daß es spannend werden könnte – Amtsinhaber Poroschenko sieht sich nicht nur wachsender Kritik im Lande, sondern auch prominenten Gegenkandidaten wie etwa der früheren Präsidentin (und als schwer korrupte „Ölprinzessin“ in Verruf geratene) Julia Timoschenko gegenüber.
Beobachter vor Ort zeichnen ein anderes Bild der Wahlen und ihrer Akteure. Sie verweisen darauf, daß bei der zentralen Wahlkommission in Kiew zwar 39 Kandidaten registriert sind. Doch die meisten von ihnen gelten als Strohmänner, die dafür bezahlt werden, einen der aussichtsreicheren Kandidaten zu unterstützen, die entweder selbst schwerreiche Oligarchen sind oder von Oligarchen ins Rennen geschickt wurden.
Gleichzeitig dürfen Millionen russischstämmiger Ukrainer, die entweder im umkämpften Donbass im Osten des Landes oder im benachbarten Rußland leben, nicht wählen – ein klassischer Fall von Zweiklassen-Wahlrecht.
Die Ungereimtheiten rund um die Präsidentenwahl sind so massiv, daß sich jetzt Widerstand formiert. Der unabhängige finnische Journalist Janus Putkonen brachte dieser Tage im Internet eine Petition unter dem unmißverständlichen Titel „Stoppt die Fake-Wahlen in der Ukraine!“ auf den Weg (Link: https://www.change.org/p/sign-the-petition-stop-fake-elections-in-ukraine). Schon kurze Zeit nach dem Start hatte sie 8500 Unterzeichner – dann „verschwanden“ auf der Internet-Plattform „Change.org“ wie durch Geisterhand 3000 davon.
Trotz solcher Störversuche scheint Putkonens Petition außerordentlich erfolgreich. Innerhalb einer Woche lagen Übersetzungen des Petitionstextes in sieben verschiedene Sprachen vor. Auch Pekonen hält es zwar für wenig wahrscheinlich, daß seine Petition die Wahl Ende des Monats stoppen kann. Ihm ist aber das politische Signal wichtig: „Man kann einige Leute eine Zeitlang zum Narren halten“, sagt er, „aber man kann nicht alle für immer täuschen.“
Tatsächlich sickerten in den letzten Wochen haarsträubende Informationen aus der Ukraine durch, die die von der Kiewer Regierung aufrechterhaltene Fassade einer fairen und ordnungsgemäßen Wahl konterkarieren. So soll für die Sicherheit am Wahltag ausgerechnet das berüchtigte „Asow-Bataillon“ sorgen, eine ultranationalistische Schlägertruppe, die vielfacher Kriegsverbrechen beschuldigt wird. Ihr Anführer ließ bereits verlauten, seine Kommandos würden nicht zögern, von der Gewaltanwendung Gebrauch zu machen – „Im Namen der Justiz“. Gleichzeitig wurde internationalen Wahlbeobachtern, auch solchen von der OSZE, ihre Akkreditierung verweigert, bestätigt auch Putkonen.
Er wundert sich auch über ukrainische Medienberichte, wonach laut der zentralen Wahlkommission 60 Millionen Stimmzettel gedruckt wurden – für 35 Millionen Wahlberechtigte. Nicht nur Putkonen fragt sich, wofür Millionen überzählige Stimmzettel gebraucht werden.
Neben der Nicht-Anerkennung der „Fake-Wahl“ am 31. März verfolgt seine Petition noch ein eminent politisches Ziel: die unverzügliche Beendigung des Krieges im Donbass, der in den letzten Jahren Zehntausende Opfer gefordert hat. Dabei sehen 57 Prozent der ukrainischen Bevölkerung Rußland positiv oder sehr positiv, wie eine Umfrage des Internationalen Soziologie-Instituts in Kiew ergab. Über die russische Bevölkerung denken sogar 77 Prozent der Ukrainer gut oder sehr gut.
Doch diese Stimmungslage spiegelt sich in keiner Weise in der Kandidaten-Auswahl für das Amt des Präsidenten wieder. „Die meisten der Kandidaten“, weiß Putkonen, „gehören der Kiewer Kriegs-Partei an, die von Poroschenko angeführt wird. Er ist verantwortlich für den Tod Tausender friedlicher Menschen und Kinder im Donbass. Soweit wir wissen – und die internationalen Beobachter und Organisationen wissen das ebenfalls –, befanden sich zu keinem Zeitpunkt russische Streitkräfte im Donbass. Aber politische und geopolitische Überlegungen verlangen es, daß der Bürgerkrieg gegen die russischstämmige Bevölkerung der Ukraine weitergeht.“
Genau das will Janus Putkonen mit seiner Petition stoppen. Es sei höchste Zeit, das Blutvergießen im Osten des Landes zu beenden, das brandgefährlich für die Stabilität in ganz Europa sei. „Um Frieden zu bekommen, müssen wir Demokratie und Bürgerrechte wiederherstellen, indem wir internationalen Druck aufbauen und den nötigen Wechsel in der ukrainischen Regierung herbeiführen“, sagt er. Ein ehrgeiziges Ziel. In eineinhalb Wochen wissen wir mehr. (mü)