„Einladung mit Baseball-Schläger“ – US-Publizist Richard Spencer im ZUERST!-Interview

24. Dezember 2016
„Einladung mit Baseball-Schläger“ – US-Publizist Richard Spencer im ZUERST!-Interview
International
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Foto: Symbolbild

Richard Spencer gilt als eine der Hauptfiguren der US-amerikanischen sogenannten „Alt-Right“-Bewegung. Gegen seine Familie tobt seit Trumps Sieg eine Hexen­jagd-Kampagne. Richard und seine Frau Nina Spencer sprachen mit ZUERST! über die Jagd auf ihre Familie.

Frau und Herr Spencer, die letzten Wo­chen waren für Sie beide ziemlich tur­bulent: Ihre Familie sieht sich einer Medienkampagne ausgesetzt, angebliche Anschriften Ihres Wohnsitzes kursieren in den sozialen Netzwerken, täglich werden Sie belästigt und bedroht. Grund dafür ist, daß Sie, Herr Spencer, als eines der Aushängeschilder der „Alt-Right“, der Alternativen Rechten, gelten und insbesondere in den letzten Monaten des US-Wahlkampfes durch provokative und kontrovers inszenierte Veranstaltungen ins Licht der Öffentlichkeit ge­langt sind. Was steckt hinter diesem me­dialen Wirbel?

Richard Spencer: Im letzten Jahrzehnt habe ich in unterschiedlichen Funktio­nen die politische Situation kommentiert. Derzeit werde ich als einer der An­führer der Alt-Right wahrgenommen, einer aus vielen verschiedenen Facetten bestehenden Bewegung in den Vereinig­ten Staaten, die eine Vielzahl von Strö­mungen in sich vereint, die sich alle gegen das Establishment wenden. Diese Bewegung sucht einen Ausweg aus der tiefgreifenden Krise, die nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle und sogar philosophische Krise ist. Es ist mein Ziel, es mit der seelenlosen, konsumorientierten Globalisierung aufzunehmen: Dazu wollen wir den Men­schen europäischen Ursprungs eine ge­meinsame, positive Identität geben, mit der sie im Inneren ihre kulturellen und historischen Wurzeln bewahren und sich nach außen hin gegen interventio­nistische Kriege in weit entfernten Län­dern stellen. Der aktuelle Medienrum­mel, der um die Alt-Right gemacht wird, rührt teilweise von einer Rede Hillary Clintons im letzten August her. In dieser hat sie versucht, ihren Gegner Donald Trump ausdrücklich in Zusammenhang mit der Alt-Right zu bringen, um ihn da­mit zu diskreditieren. Zwar war Donald Trumps Wahlsieg ein furchtbarer Schlag ins Gesicht für das proglobalistische Establishment, aber Trump selbst ge­hört nicht zur Alt-Right. Auf eine gewis­se Weise repräsentiert er eine altertümliche Vorstellung von Amerika, die zwar positiv ist, aber nicht die Wurzeln der zuvor beschriebenen Krise hinterfragt. Dessenungeachtet versuchen die Esta­blishment-Medien, Trumps Position auch nach seinem Sieg zu untergraben, indem sie den Fokus auf unsere Bewegung legen. Dazu werden die Begriff­lichkeiten benutzt, die stets in diesem Zusammenhang fallen, wenn es darum geht, bestimmte Akteure ins Abseits zu stellen. Ich habe immer die Notwendig­keit betont, die Ideologien des 20. Jahr­hunderts zu überwinden. Aber diese Medienkampagne hat zu einer Hexen­jagd geführt, die weit über mich als politischen Aktivisten und Kommentator hinausgeht.

Welchen Drohungen und Belästigungen waren Sie ausgesetzt?

 Richard Spencer: In den letzten Wochen sind wir mit dem ganzen Spektrum konfrontiert worden: Texte, die uns über SMS oder die sozialen Medien erreichen und in denen uns Gewalt angedroht wird; die Veröffentlichung mehrerer Adressen, von denen behauptet wurde, sie seien die meiner Familie – ich weiß nicht, wie viele unschuldige Personen durch dieses strafwürdige Vorgehen betroffen waren –; Einbruch in die Privat­sphäre mehrerer Familienmitglieder und Freunde; und nicht zuletzt der be­trächtliche finanzielle Schaden an Menschen, mit denen ich über zwei oder drei Ecken verwandt bin, die aber weder meine politischen Ansichten teilen noch sich jemals mit mir getroffen haben! Vor einigen Jahrhunderten wären diese Nachfahren der Puritaner im Geiste mit Heugabeln und Fackeln auf der Suche nach Hexen gewesen. Einige dieser Ge­waltandrohungen haben es auch bis in die überregionalen Medien geschafft: Der prominente Journalist Michael Hirsh mußte bei der großen US-Zeitung Politico kündigen, nachdem er in den sozialen Netzwerken zwei meiner angeblichen Adressen veröffentlicht und die Leute eingeladen hatte, mich mit Baseball-Schlägern zu besuchen.

Frau Spencer, Sie werden nicht nur von bekannten Medienvertretern unter Druck gesetzt, sondern auch von anony­men Internet-Aktivisten. Fast alle der Angriffe beziehen sich auf Ihren russischen Familienhintergrund. Finden Sie das nicht merkwürdig, daß diese Kampagnen von selbsternannten „Menschen­rechts-Aktivisten“ und von Leuten ausgehen, die in den sozialen Netzwerken als „Social Justice Warriors“ – also „Krieger für die soziale Gerechtigkeit“ – bezeich­net werden?

Nina Spencer: Das ist einer der beson­ders ironischen und erwähnenswerten Aspekte der aktuellen Hexenjagd. Ge­gen das Unternehmen eines Geschäfts­partners eines etwas weiter entfernten Mitglieds unserer Familie – der Richard nie getroffen hat und auch seine An­sichten nicht teilt – werden Drohungen ausgesprochen. Dieser Geschäftsmann steht offen zu seiner Homosexualität und wird von einer „Menschenrechts­organisation“ schikaniert, die angibt, für die Rechte von Schwulen und Les­ben einzutreten. Was die Rußlandfeind­lichkeit betrifft, so ist das wohl eine der akzeptierten Formen der Diskriminie­rung im westlichen Establishment. Ich kann nur jedem raten, selbst einmal das Experiment zu machen: Ersetzen Sie in einer Schlagzeile einmal „die Russen“ durch eine andere ethnische oder religiöse Gruppe. Sie würden sich beschämt abwenden! Was die Belästigung meiner Person betrifft, so bekomme ich von diesen „anti-rassistischen“ Internet-Kriegern all die standardmäßigen Ste­reotype zu hören, angefangen damit, daß ich eine osteuropäische Ehefrau aus dem Katalog sei. Mein ethnischer Hin­tergrund, also die Tatsache, daß ich zu einem Viertel Georgierin bin, wird ebenso in Frage gestellt – und behaup­tet, ich sei Tatarin und damit musli­misch –, genauso wie mein Aussehen kritisiert wird. Wenn ich nicht sehen würde, daß solche Kommentare von „Menschenrechtsaktivisten“ kommen, müßte ich glauben, sie kämen direkt von den stärksten Befürwortern einer Weltanschauung, die sie eigentlich vor­geben zu bekämpfen.

Einigen Medienberichten und Ausfüh­rungen in den sozialen Netzwerken zu­folge soll es Verbindungen zwischen Ih­nen, Putin und Trump geben.

Nina Spencer: Man kann derzeit zwei gleichzeitig ablaufende Tendenzen in der Berichterstattung über Rußland feststellen: Einerseits sei Rußland ein kurz vor dem Kollaps stehendes Land voller betrunkener Barbaren. Anderer­seits stehe Rußland kurz vor der welt­weiten Machtübernahme, unterstützt durch ein ausgeklügeltes Hacker-Netz­werk, das auf Befehl des Kremls hin Wahlen in ganz Europa und in den USA manipuliert. Kommentare über mich folgen demselben Muster: Einerseits werde ich abfällig als „Halb-Gelehrte“ bezeichnet, die krude Russen-Propaganda verbreite, und andererseits heißt es, ich sei eine hochrangige Agentin des russischen Geheimdienstes FSB, die beste Verbindungen zur russischen Re­gierungsspitze pflege und Einfluß auf amerikanische Politik nehme. Die Me­dien und bestimmte Kommentatoren unterstellen mir Kontakte zu Putin, Trump, General Michael Flynn und Steve Bannon. Paranoide Verschwö­rungstheorien über mich, wonach ich eine russische Geheimagentin sei, amü­sieren mich immer sehr, da ich ja keinen Hehl aus meinem Geburtsland Rußland und meinem Patriotismus für meine Heimat mache. Allerdings geben sie mir auch zu denken. Es war naiv zu glauben, daß der beispiellose Grad an rußland­feindlicher Propaganda in den USA nach der Wahl abflachen würde. Die Tatsache, daß das Gegenteil der Fall ist, zeigt, daß Trump auch nach der Wahl nicht Teil des Establishments geworden ist. Außerdem sehen wir daran, daß Trump unter starkem Druck der Parteien steht, sowohl von seiten der Neo­konservativen wie auch aus dem Lager der liberalen Interventionisten. Solche Verschwörungstheorien von russischen Geheimagenten werden benutzt, um so Trumps pragmatischen außenpoliti­schen Kurs hin zu Rußland zu diskredi­tieren.

Welche Rolle spielt Ihre Arbeit als Eng­lisch-Russisch-Übersetzerin in dieser Hysterie?

Nina Spencer: Die größte Debatte ent­spinnt sich darüber, daß ich Texte von Alexander Dugin übersetzt habe: zwei Kapitel des Buches Die Vierte Politische Theorie – obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, ob meine Arbeit letztendlich verwendet wurde – und den ersten Band der Trilogie über Martin Heidegger. Wegen seiner patriotischen Sichtweise auf sein Heimatland wird Dugin von den westlichen Mainstream-Medien offen angefeindet und oft falsch dargestellt. Ich selbst messe Dugins Werken, speziell de­nen zur Geopolitik und zur Soziologie des Imaginären, eine hohe Bedeutung zu, aber er ist nicht der einzige Denker, dessen Werke ich übersetzt habe. Ehrlich gesagt, versuche ich mit meiner Arbeit, russische Texte dem englischsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Und ich mache das freiwillig. Ich habe eine ganze Reihe von Texten übersetzt: Dokumente der Kommunistischen Partei, Poesie der bolschewistischen Koryphäe Wladimir Majakowski, Texte von Alex­ander Solschenizyn, von orthodoxen Denkern und sogar von einem „Ver­schwörungstheoretiker“, weil ich darum gebeten wurde. Der hat vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt, als er den Einbruch des Dollars vorhersagte. Außerdem tra­ge ich zum Archiv zur Geschichte der Spionage bei, indem ich Texte aus der Zeit der Sowjetunion und des Zarenreiches übersetze. Der Grund, wieso immer nur die Übersetzung der Dugin- Werke hervorgehoben wird, ist derselbe, den ich bereits angeführt habe: Es geht letztlich darum, Trump zu diffamieren. Dugin selbst habe ich übri­gens nie getroffen.

Einige der anonymen Kommentatoren im Internet forderten Ihren Tod, Herr Spencer. Wie ernst nehmen Sie solche Morddrohungen?

Richard Spencer: Der Anschein von Ver­traulichkeit, den die sozialen Medien ver­mitteln, rechtfertigt es offenbar für viele ihrer Nutzer – gerade die anonymen –, Drohungen auszusprechen, die sie im echten Leben niemals wagen würden. An­dererseits kann ich es nicht ausschließen, daß es da draußen einzelne gewalttätige Verwirrte gibt, die auf eine solche Adres­senveröffentlichung hin zur Tat schreiten. Deswegen müssen wir solche Drohungen ernst nehmen und kontaktieren dann die entsprechenden Behörden.

Wie ist die politische und soziale Stim­mungslage in den Vereinigten Staaten seit den Wahlen im allgemeinen?

Richard Spencer: Die politische Atmo­sphäre ist sehr unterschiedlich, abhängig davon, wohin man seinen Blick gerade wendet. Auf den Straßen werden Trump- Unterstützer – durchschnittliche Amerikaner – verbal und auch körperlich angegriffen. Die Medien spielen diese Vor­gänge herunter und konzentrieren sich dafür auf eine ganze Flut von hysteri­schen Ablenkungsmanövern, wie zum Beispiel der Mär von der russischen Propaganda. In der Politik kann man beobachten, wie die Euphorie über den Wahlsieg die Stimmung eines „Morgens danach“ annimmt: Politisch pragmatisch orien­tierte Kommentatoren war­nen davor, daß die starken neokonservativen Kräfte in Washington zuviel Einfluß in der kommenden Trump-Regierung gewinnen könnten.

Wer steckt hinter der Medien­kampagne gegen Sie beide?

 Nina Spencer: Weltanschau­lich mit Sicherheit das libera­le Establishment – sowohl der neokonservative als auch der neoliberale Flügel – und seine Helfer: Mainstream- Linke, die hier scherzend als „Social Justice Warriors“ be­zeichnet werden, und auch einige selbsternannte Neo­nazis. Der Brexit, Trumps Wahl, aktuelle Erfolge der syrischen Regierung im Kampf gegen die von Washington und den Golfstaaten unterstützten Terroristen, die steigende Popularität für Bewegungen und Politi­ker in Europa, die sich für politische Sou­veränität und nationale Identität stark machen: All das hat die pro-globalisti­schen Eliten tief erschüttert. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten nehmen diese Eli­ten eine Gefahr für ihr liberales globali­stisches Projekt wahr. Sie spüren, wie ihre Macht schwindet, und versuchen, kritische Stimmen, prominente wie aufstre­bende, durch Verleumdungen ihres Me­dienapparates zum Schweigen zu brin­gen. Alles paßt ins Muster: die hysterische Kritik an Trump, die gegen Ruß­land gerichteten Behauptungen, an allen möglichen Dingen schuld zu sein, die Inhaftierung von Anti-NATO-Aktivisten wie Mateusz Piskorski und die Anstif­tung zu Hetzjagden gegen all jene, die ihre traditionelle Identität wieder zur Geltung bringen möchten.

Gibt es Personen, die sich für Sie stark gemacht haben während der aktuellen Hexenjagd?

 Nina Spencer: Wir sind dankbar für die vielen aufmunternden Nachrichten, die wir und unsere Familie aus der ganzen Welt bekommen haben: aus den Vereinigten Staaten, Kanada, dem Libanon, Japan, Rußland, Polen, Deutschland, Italien, Frankreich, Serbien und vielen ande­ren Ländern. Einige dieser Beistandsbekundungen kamen aus Richtungen, die wir niemals erwartet hätten, beispielsweise von solchen, die ideologisch einen an­deren Standpunkt vertreten als wir. Das hat uns sehr positiv überrascht. Freunde haben uns mit Rat und Tat zur Seite ge­standen: Es wurde für uns gebetet, und uns wurde die Möglichkeit angeboten, mich und unsere Tochter bei Freunden unterzubringen, sollte das feindselige Ver­halten gegen uns eskalieren. Wir danken allen unseren Unterstützern!

Frau und Herr Spencer, vielen Dank für das Gespräch.

Richard Spencer, geboren 1978 in Boston (USA), ist Präsident der US-Denkfabrik National Policy Institute, des Verlags Washington Summit Publishers sowie Chefredak­teur von Radix Journal. Zuvor war er stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift The American Conservative.

Nina Spencer, geboren in Moskau, promovierte in Toronto (Kanada) über die moderne russische Geschichte und die US-Außenpolitik. Sie hält außerdem einen Magister Artium in Kunstgeschichte. Nina Spencer widmet sich der Übersetzung russischer Texte ins Englische.

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Ein Kommentar

  1. Claus Ernst sagt:

    Dieses Interview hätte eins zu eins auch mit einem AfD-Protagonisten, mit einem Pegidasympathisanten oder mit einem Mitglied der Identitären Bewegung geführt werden können. Fragestellungen und Antworten wären dieselben gewesen. Es liegt etwas in der Luft, der Wind beginnt sich zu drehen, er nimmt Fahrt auf und wird sich hoffentlich zu einem Orkan verstärken, der das gesamte schwarz-rot-grüne, elitäre Establishment mit ihrer Multi-Kulti- und Gutmenschideologie über alle Meere verstreut. Aber hoffentlich nicht über dem Mittelmeer, denn dort bestünde die Gefahr, daß die Frontex-Schleuser-Hehler ihren Auftrag wieder mißverstehen.

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