Richard Spencer gilt als eine der Hauptfiguren der US-amerikanischen sogenannten „Alt-Right“-Bewegung. Gegen seine Familie tobt seit Trumps Sieg eine Hexenjagd-Kampagne. Richard und seine Frau Nina Spencer sprachen mit ZUERST! über die Jagd auf ihre Familie.
Frau und Herr Spencer, die letzten Wochen waren für Sie beide ziemlich turbulent: Ihre Familie sieht sich einer Medienkampagne ausgesetzt, angebliche Anschriften Ihres Wohnsitzes kursieren in den sozialen Netzwerken, täglich werden Sie belästigt und bedroht. Grund dafür ist, daß Sie, Herr Spencer, als eines der Aushängeschilder der „Alt-Right“, der Alternativen Rechten, gelten und insbesondere in den letzten Monaten des US-Wahlkampfes durch provokative und kontrovers inszenierte Veranstaltungen ins Licht der Öffentlichkeit gelangt sind. Was steckt hinter diesem medialen Wirbel?
Richard Spencer: Im letzten Jahrzehnt habe ich in unterschiedlichen Funktionen die politische Situation kommentiert. Derzeit werde ich als einer der Anführer der Alt-Right wahrgenommen, einer aus vielen verschiedenen Facetten bestehenden Bewegung in den Vereinigten Staaten, die eine Vielzahl von Strömungen in sich vereint, die sich alle gegen das Establishment wenden. Diese Bewegung sucht einen Ausweg aus der tiefgreifenden Krise, die nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle und sogar philosophische Krise ist. Es ist mein Ziel, es mit der seelenlosen, konsumorientierten Globalisierung aufzunehmen: Dazu wollen wir den Menschen europäischen Ursprungs eine gemeinsame, positive Identität geben, mit der sie im Inneren ihre kulturellen und historischen Wurzeln bewahren und sich nach außen hin gegen interventionistische Kriege in weit entfernten Ländern stellen. Der aktuelle Medienrummel, der um die Alt-Right gemacht wird, rührt teilweise von einer Rede Hillary Clintons im letzten August her. In dieser hat sie versucht, ihren Gegner Donald Trump ausdrücklich in Zusammenhang mit der Alt-Right zu bringen, um ihn damit zu diskreditieren. Zwar war Donald Trumps Wahlsieg ein furchtbarer Schlag ins Gesicht für das proglobalistische Establishment, aber Trump selbst gehört nicht zur Alt-Right. Auf eine gewisse Weise repräsentiert er eine altertümliche Vorstellung von Amerika, die zwar positiv ist, aber nicht die Wurzeln der zuvor beschriebenen Krise hinterfragt. Dessenungeachtet versuchen die Establishment-Medien, Trumps Position auch nach seinem Sieg zu untergraben, indem sie den Fokus auf unsere Bewegung legen. Dazu werden die Begrifflichkeiten benutzt, die stets in diesem Zusammenhang fallen, wenn es darum geht, bestimmte Akteure ins Abseits zu stellen. Ich habe immer die Notwendigkeit betont, die Ideologien des 20. Jahrhunderts zu überwinden. Aber diese Medienkampagne hat zu einer Hexenjagd geführt, die weit über mich als politischen Aktivisten und Kommentator hinausgeht.
Welchen Drohungen und Belästigungen waren Sie ausgesetzt?
Richard Spencer: In den letzten Wochen sind wir mit dem ganzen Spektrum konfrontiert worden: Texte, die uns über SMS oder die sozialen Medien erreichen und in denen uns Gewalt angedroht wird; die Veröffentlichung mehrerer Adressen, von denen behauptet wurde, sie seien die meiner Familie – ich weiß nicht, wie viele unschuldige Personen durch dieses strafwürdige Vorgehen betroffen waren –; Einbruch in die Privatsphäre mehrerer Familienmitglieder und Freunde; und nicht zuletzt der beträchtliche finanzielle Schaden an Menschen, mit denen ich über zwei oder drei Ecken verwandt bin, die aber weder meine politischen Ansichten teilen noch sich jemals mit mir getroffen haben! Vor einigen Jahrhunderten wären diese Nachfahren der Puritaner im Geiste mit Heugabeln und Fackeln auf der Suche nach Hexen gewesen. Einige dieser Gewaltandrohungen haben es auch bis in die überregionalen Medien geschafft: Der prominente Journalist Michael Hirsh mußte bei der großen US-Zeitung Politico kündigen, nachdem er in den sozialen Netzwerken zwei meiner angeblichen Adressen veröffentlicht und die Leute eingeladen hatte, mich mit Baseball-Schlägern zu besuchen.
Frau Spencer, Sie werden nicht nur von bekannten Medienvertretern unter Druck gesetzt, sondern auch von anonymen Internet-Aktivisten. Fast alle der Angriffe beziehen sich auf Ihren russischen Familienhintergrund. Finden Sie das nicht merkwürdig, daß diese Kampagnen von selbsternannten „Menschenrechts-Aktivisten“ und von Leuten ausgehen, die in den sozialen Netzwerken als „Social Justice Warriors“ – also „Krieger für die soziale Gerechtigkeit“ – bezeichnet werden?
Nina Spencer: Das ist einer der besonders ironischen und erwähnenswerten Aspekte der aktuellen Hexenjagd. Gegen das Unternehmen eines Geschäftspartners eines etwas weiter entfernten Mitglieds unserer Familie – der Richard nie getroffen hat und auch seine Ansichten nicht teilt – werden Drohungen ausgesprochen. Dieser Geschäftsmann steht offen zu seiner Homosexualität und wird von einer „Menschenrechtsorganisation“ schikaniert, die angibt, für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten. Was die Rußlandfeindlichkeit betrifft, so ist das wohl eine der akzeptierten Formen der Diskriminierung im westlichen Establishment. Ich kann nur jedem raten, selbst einmal das Experiment zu machen: Ersetzen Sie in einer Schlagzeile einmal „die Russen“ durch eine andere ethnische oder religiöse Gruppe. Sie würden sich beschämt abwenden! Was die Belästigung meiner Person betrifft, so bekomme ich von diesen „anti-rassistischen“ Internet-Kriegern all die standardmäßigen Stereotype zu hören, angefangen damit, daß ich eine osteuropäische Ehefrau aus dem Katalog sei. Mein ethnischer Hintergrund, also die Tatsache, daß ich zu einem Viertel Georgierin bin, wird ebenso in Frage gestellt – und behauptet, ich sei Tatarin und damit muslimisch –, genauso wie mein Aussehen kritisiert wird. Wenn ich nicht sehen würde, daß solche Kommentare von „Menschenrechtsaktivisten“ kommen, müßte ich glauben, sie kämen direkt von den stärksten Befürwortern einer Weltanschauung, die sie eigentlich vorgeben zu bekämpfen.
Einigen Medienberichten und Ausführungen in den sozialen Netzwerken zufolge soll es Verbindungen zwischen Ihnen, Putin und Trump geben.
Nina Spencer: Man kann derzeit zwei gleichzeitig ablaufende Tendenzen in der Berichterstattung über Rußland feststellen: Einerseits sei Rußland ein kurz vor dem Kollaps stehendes Land voller betrunkener Barbaren. Andererseits stehe Rußland kurz vor der weltweiten Machtübernahme, unterstützt durch ein ausgeklügeltes Hacker-Netzwerk, das auf Befehl des Kremls hin Wahlen in ganz Europa und in den USA manipuliert. Kommentare über mich folgen demselben Muster: Einerseits werde ich abfällig als „Halb-Gelehrte“ bezeichnet, die krude Russen-Propaganda verbreite, und andererseits heißt es, ich sei eine hochrangige Agentin des russischen Geheimdienstes FSB, die beste Verbindungen zur russischen Regierungsspitze pflege und Einfluß auf amerikanische Politik nehme. Die Medien und bestimmte Kommentatoren unterstellen mir Kontakte zu Putin, Trump, General Michael Flynn und Steve Bannon. Paranoide Verschwörungstheorien über mich, wonach ich eine russische Geheimagentin sei, amüsieren mich immer sehr, da ich ja keinen Hehl aus meinem Geburtsland Rußland und meinem Patriotismus für meine Heimat mache. Allerdings geben sie mir auch zu denken. Es war naiv zu glauben, daß der beispiellose Grad an rußlandfeindlicher Propaganda in den USA nach der Wahl abflachen würde. Die Tatsache, daß das Gegenteil der Fall ist, zeigt, daß Trump auch nach der Wahl nicht Teil des Establishments geworden ist. Außerdem sehen wir daran, daß Trump unter starkem Druck der Parteien steht, sowohl von seiten der Neokonservativen wie auch aus dem Lager der liberalen Interventionisten. Solche Verschwörungstheorien von russischen Geheimagenten werden benutzt, um so Trumps pragmatischen außenpolitischen Kurs hin zu Rußland zu diskreditieren.
Welche Rolle spielt Ihre Arbeit als Englisch-Russisch-Übersetzerin in dieser Hysterie?
Nina Spencer: Die größte Debatte entspinnt sich darüber, daß ich Texte von Alexander Dugin übersetzt habe: zwei Kapitel des Buches Die Vierte Politische Theorie – obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, ob meine Arbeit letztendlich verwendet wurde – und den ersten Band der Trilogie über Martin Heidegger. Wegen seiner patriotischen Sichtweise auf sein Heimatland wird Dugin von den westlichen Mainstream-Medien offen angefeindet und oft falsch dargestellt. Ich selbst messe Dugins Werken, speziell denen zur Geopolitik und zur Soziologie des Imaginären, eine hohe Bedeutung zu, aber er ist nicht der einzige Denker, dessen Werke ich übersetzt habe. Ehrlich gesagt, versuche ich mit meiner Arbeit, russische Texte dem englischsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Und ich mache das freiwillig. Ich habe eine ganze Reihe von Texten übersetzt: Dokumente der Kommunistischen Partei, Poesie der bolschewistischen Koryphäe Wladimir Majakowski, Texte von Alexander Solschenizyn, von orthodoxen Denkern und sogar von einem „Verschwörungstheoretiker“, weil ich darum gebeten wurde. Der hat vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt, als er den Einbruch des Dollars vorhersagte. Außerdem trage ich zum Archiv zur Geschichte der Spionage bei, indem ich Texte aus der Zeit der Sowjetunion und des Zarenreiches übersetze. Der Grund, wieso immer nur die Übersetzung der Dugin- Werke hervorgehoben wird, ist derselbe, den ich bereits angeführt habe: Es geht letztlich darum, Trump zu diffamieren. Dugin selbst habe ich übrigens nie getroffen.
Einige der anonymen Kommentatoren im Internet forderten Ihren Tod, Herr Spencer. Wie ernst nehmen Sie solche Morddrohungen?
Richard Spencer: Der Anschein von Vertraulichkeit, den die sozialen Medien vermitteln, rechtfertigt es offenbar für viele ihrer Nutzer – gerade die anonymen –, Drohungen auszusprechen, die sie im echten Leben niemals wagen würden. Andererseits kann ich es nicht ausschließen, daß es da draußen einzelne gewalttätige Verwirrte gibt, die auf eine solche Adressenveröffentlichung hin zur Tat schreiten. Deswegen müssen wir solche Drohungen ernst nehmen und kontaktieren dann die entsprechenden Behörden.
Wie ist die politische und soziale Stimmungslage in den Vereinigten Staaten seit den Wahlen im allgemeinen?
Richard Spencer: Die politische Atmosphäre ist sehr unterschiedlich, abhängig davon, wohin man seinen Blick gerade wendet. Auf den Straßen werden Trump- Unterstützer – durchschnittliche Amerikaner – verbal und auch körperlich angegriffen. Die Medien spielen diese Vorgänge herunter und konzentrieren sich dafür auf eine ganze Flut von hysterischen Ablenkungsmanövern, wie zum Beispiel der Mär von der russischen Propaganda. In der Politik kann man beobachten, wie die Euphorie über den Wahlsieg die Stimmung eines „Morgens danach“ annimmt: Politisch pragmatisch orientierte Kommentatoren warnen davor, daß die starken neokonservativen Kräfte in Washington zuviel Einfluß in der kommenden Trump-Regierung gewinnen könnten.
Wer steckt hinter der Medienkampagne gegen Sie beide?
Nina Spencer: Weltanschaulich mit Sicherheit das liberale Establishment – sowohl der neokonservative als auch der neoliberale Flügel – und seine Helfer: Mainstream- Linke, die hier scherzend als „Social Justice Warriors“ bezeichnet werden, und auch einige selbsternannte Neonazis. Der Brexit, Trumps Wahl, aktuelle Erfolge der syrischen Regierung im Kampf gegen die von Washington und den Golfstaaten unterstützten Terroristen, die steigende Popularität für Bewegungen und Politiker in Europa, die sich für politische Souveränität und nationale Identität stark machen: All das hat die pro-globalistischen Eliten tief erschüttert. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten nehmen diese Eliten eine Gefahr für ihr liberales globalistisches Projekt wahr. Sie spüren, wie ihre Macht schwindet, und versuchen, kritische Stimmen, prominente wie aufstrebende, durch Verleumdungen ihres Medienapparates zum Schweigen zu bringen. Alles paßt ins Muster: die hysterische Kritik an Trump, die gegen Rußland gerichteten Behauptungen, an allen möglichen Dingen schuld zu sein, die Inhaftierung von Anti-NATO-Aktivisten wie Mateusz Piskorski und die Anstiftung zu Hetzjagden gegen all jene, die ihre traditionelle Identität wieder zur Geltung bringen möchten.
Gibt es Personen, die sich für Sie stark gemacht haben während der aktuellen Hexenjagd?
Nina Spencer: Wir sind dankbar für die vielen aufmunternden Nachrichten, die wir und unsere Familie aus der ganzen Welt bekommen haben: aus den Vereinigten Staaten, Kanada, dem Libanon, Japan, Rußland, Polen, Deutschland, Italien, Frankreich, Serbien und vielen anderen Ländern. Einige dieser Beistandsbekundungen kamen aus Richtungen, die wir niemals erwartet hätten, beispielsweise von solchen, die ideologisch einen anderen Standpunkt vertreten als wir. Das hat uns sehr positiv überrascht. Freunde haben uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden: Es wurde für uns gebetet, und uns wurde die Möglichkeit angeboten, mich und unsere Tochter bei Freunden unterzubringen, sollte das feindselige Verhalten gegen uns eskalieren. Wir danken allen unseren Unterstützern!
Frau und Herr Spencer, vielen Dank für das Gespräch.
Richard Spencer, geboren 1978 in Boston (USA), ist Präsident der US-Denkfabrik National Policy Institute, des Verlags Washington Summit Publishers sowie Chefredakteur von Radix Journal. Zuvor war er stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift The American Conservative.
Nina Spencer, geboren in Moskau, promovierte in Toronto (Kanada) über die moderne russische Geschichte und die US-Außenpolitik. Sie hält außerdem einen Magister Artium in Kunstgeschichte. Nina Spencer widmet sich der Übersetzung russischer Texte ins Englische.
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Dieses Interview hätte eins zu eins auch mit einem AfD-Protagonisten, mit einem Pegidasympathisanten oder mit einem Mitglied der Identitären Bewegung geführt werden können. Fragestellungen und Antworten wären dieselben gewesen. Es liegt etwas in der Luft, der Wind beginnt sich zu drehen, er nimmt Fahrt auf und wird sich hoffentlich zu einem Orkan verstärken, der das gesamte schwarz-rot-grüne, elitäre Establishment mit ihrer Multi-Kulti- und Gutmenschideologie über alle Meere verstreut. Aber hoffentlich nicht über dem Mittelmeer, denn dort bestünde die Gefahr, daß die Frontex-Schleuser-Hehler ihren Auftrag wieder mißverstehen.