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Causa Sarrazin: Mit schärferen Gesetzen könnte es künftig gelingen, unerwünschte Kritik an der Überfremdung Deutschlands zu unterdrücken
Wer die bundesdeutsche Ausländerpolitik kritisiert oder sich gar skeptisch zur Mentalität und dem Verhalten bestimmter Migrantengruppen äußert, wandelt heute auf einem schmalen Grat. Die Antidiskriminierungs-Gesetzgebung und das Strafrecht halten zahlreiche Möglichkeiten bereit, unerwünschte Meinungsäußerungen zu sanktionieren. Tausende vor Gericht gezerrte Bürger haben dies schon schmerzhaft erfahren müssen. Doch internationalen Gremien wie dem Antirassismus-Ausschuß der Vereinten Nationen (UN) in Genf ist die deutsche Praxis immer noch zu liberal. Deshalb wird jetzt der Druck erhöht.
In einem Beschluß vom 26. Februar 2013, der am 4. April veröffentlicht wurde, hat der Ausschuß die Bundesrepublik Deutschland förmlich gerügt. Anlaß war eine Äußerung des früheren Bundesbank-Vorstands und Bestseller-Autors Thilo Sarrazin in der Zeitschrift Lettre International Ende 2009. Sarrazin hatte sich damals in scharfer Form über die Denkweise eines Großteils der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins geäußert. Nach einer Anzeige des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB) stellte die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Sarrazin jedoch ein. Seine Äußerungen bewegten sich im Rahmen der freien Meinungsäußerung.
Für den Antirassismus-Ausschuß (offiziell: Committee on the Elimination of Racial Discrimination = CERD) stellt sich die Lage anders dar. Er stuft Sarrazins Ausführungen als rassistisch ein und bemängelt das Ausbleiben juristischer Konsequenzen. Es liege ein Verstoß gegen die Antirassismus-Konvention vor, deren Einhaltung der Ausschuß überwacht. Der Bundesregierung wurde ein Ultimatum gestellt: Binnen 90 Tagen sollte sie sich zu dem Vorwurf äußern. Dies hat sie mittlerweile getan und dem CERD schriftlich mitgeteilt: „Die Bundesregierung prüft aktuell die deutsche Gesetzgebung zur Strafbarkeit rassistischer Äußerungen im Lichte der Äußerungen des Ausschusses.“
Auf den ersten Blick eine elegante Lösung, die zunächst einmal einen Zeitgewinn bedeutet. Gegen die sorgfältige Prüfung eines Sachverhalts kann der Ausschuß schwerlich etwas einwenden. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn man die Antwort weiterliest. Die Bundesregierung habe nämlich die Berliner Staatsanwaltschaft damals gebeten, „jede Möglichkeit zu prüfen, die Entscheidung zur Verfahrenseinstellung [gegen Sarrazin] zu überdenken“, zitiert der Tagesspiegel aus dem Papier. Damit wird unmißverständlich eine inhaltliche Zustimmung zur Position des CERD signalisiert. Ein erster Hinweis auf das mögliche Ergebnis der „Prüfung“.
Zufrieden dürfte das Deutsche Institut für Menschenrechte sein, das als „unabhängiger Dritter“ eine Stellungnahme an den Ausschuß übermittelt hatte. Im Anschluß an die Rüge hatte dessen Direktorin Beate Rudolf gefordert: „Gesetzeslage und Praxis im Bereich der Strafverfolgung von rassistischen Äußerungen sind nun auf den Prüfstand zu stellen, um die Betroffenen wirksam zu schützen und die Menschenwürde als Grundlage unseres Gemeinwesens zu verteidigen.“ Was die Gesetzeslage betrifft, kommt die Bundesregierung diesem Wunsch gerade nach.
Begrüßt hatten den Vorstoß des UN‑Ausschusses auch Vertreter von Migrantenverbänden, SPD, Grünen und Linken. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) hatte nach der Einstellung des Verfahrens gegen Sarrazin Beschwerde beim Ausschuß eingereicht. Sein Sprecher Hilmi Kaya Turan deutete damals an, daß er die Meinungsfreiheit mit Hilfe der Rassismus-Keule noch stärker einschränken will: „Deutschland bekämpft nur bestimmte Formen von Rassismus, aber schon populistische Tendenzen ebnen dem Rechtsradikalismus den Weg.“ Deshalb müßten Richterinnen und Richter besser geschult werden.
„Solche Pläne wundern mich überhaupt nicht“, so die Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl auf Nachfrage von ZUERST!. „Man muß wissen: Seit der Jahrtausendwende hat sich bei der Verfolgung überfremdungskritischer Äußerungen einiges in der Urteilspraxis verbessert. Davor haben Amtsgerichte geradezu groteske Urteile gefällt. Einige Verurteilte haben jedoch den Rechtskampf gewagt und mit Hilfe engagierter Anwälte dann in den höheren Instanzen ihr Recht bekommen.“ Mit „besser geschulten“ Richtern wollten interessierte Kreise nun offenbar zum Zustand vor dem Jahr 2000 zurück.
Ein weiterer Hintergrund ist gewiß Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab, der mit 1,35 Millionen verkauften Exemplaren erfolgreichste politische Sachbuch-Titel der Nachkriegsgeschichte. Wäre der Autor ein rechtskräftig verurteilter „Rassist“, würde die Glaubwürdigkeit seiner Argumente zweifellos stark leiden. Mit schärferen Gesetzen und repressiveren Urteilen könnte es künftig gelingen, unerwünschte Kritik an der Überfremdung Deutschlands schon im Ansatz noch wirksamer zu unterdrücken.
Robert Diehl