Wiesbaden. Ein unfaßbarer Vorgang – jedenfalls, wenn man die Maßstäbe des Rechtsstaates zugrundelegt: ein hessischer Wirtschaftswissenschaftler hat nach 16 Monaten Dienstverbot seine vollständige Rehabilitation erreicht. Ihm waren Kontakte in die „rechtsextremistische“ Szene zur Last gelegt worden.
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Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erklärte im Frühjahr 2025 die Suspendierung des Professors für rechtswidrig und hob damit das erstinstanzliche Urteil auf. Die Affäre hatte am 16. Januar 2024 begonnen, als der Hochschulpräsident dem Professor mit sofortiger Wirkung ein „Amtsführungsverbot“ erteilte. Die Maßnahme umfaßte die Aufforderung zur Abgabe von Dienstschlüssel und Laptop, die Räumung seines Dienstzimmers sowie ein striktes Kontaktverbot zu Studenten. Als Begründung verwies die Hochschulleitung auf einen Bericht des Verfassungsschutzes, der den Hochschullehrer der „rechtsextremistischen Szene“ zugeordnet hatte.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe stand der Kontakt des Professors zum Ehepaar Jürgen und Stephanie Elsässer. Insbesondere eine spontane Übernachtung im Gästezimmer der Elsässers nach einer von zwei Begegnungen mit „Compact“-Herausgeber Jürgen Elsässer wurde als belastend angeführt. Die Bekanntschaft mit Stephanie Elsässer reicht jedoch weiter zurück: wie auch der Verfassungsschutz bestätigte, waren beide einst Nachbarn. Damals war sie für die CDU kommunalpolitisch aktiv gewesen, der Professor seinerseits für die AfD, der er aber inzwischen „aus verschiedenen, auch politischen Gründen“ nicht mehr angehört.
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Trotz eines solidarischen Schreibens von Kollegen – darunter Personen mit Verbindungen zu Grünen und SPD – an die Hochschulleitung blieb die Suspendierung bestehen. Eine erste Klage des Professors wurde im Dezember 2024, elf Monate nach Verhängung des Amtsverbots, abgewiesen.
Erst der Hessische Verwaltungsgerichtshof gab im Frühjahr 2025 der Berufung statt. Die Richter urteilten, daß bloßer „Kontakt keine Sanktionen rechtfertigen“ könne und eine „Kontaktschuld“ nicht existiere. Bei der Verwertung nachrichtendienstlicher Quellen sei Zurückhaltung geboten. Der Besuch von Veranstaltungen als rechtsextremistisch eingestufter Organisationen sei „kein Nachweis für verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Unterstützungshandlungen“.
Dem Professor liegt inzwischen eine über 2.000 Seiten umfassende Verfassungsschutzakte vor, von der etwa zwei Drittel geschwärzt sind. 400 Seiten beziehen sich auf die Zeit vor der Übernachtung bei den Elsässers. Die Akte enthält Aufzeichnungen über Telefonverbindungen, E-Mails und vermutlich auch Observationen.
In einem parallelen Verfahren urteilte das Bundesverfassungsgericht, das hessische Verfassungsschutzgesetz sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Kritisiert wurden insbesondere die „Befugnisse zur Übermittlung von mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen personenbezogenen Daten an andere Behörden“ ohne „hinreichende rechtliche Hürden“.
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Die ausgefallene Dienstzeit von 16 Monaten – und die damit verbundenen Gehälter – sowie Anwaltskosten in Höhe von über 50.000 Euro wurden dem Professor nicht erstattet. „Ich habe immer Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat gehabt“, resümierte der Hochschullehrer. Er will nun darauf hinwirken, daß der Verfassungsschutz seine Einstufung als Irrtum anerkennt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz zeigte sich in einer Stellungnahme allerdings unbeeindruckt: nur bei „hinreichend tatsächlichen Anhaltspunkten“ würden Personen erfaßt. Die Weitergabe von Daten liege stets im Entscheidungsbereich der Behörden.
Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk forderte unterdessen auf X, ein Untersuchungsausschuß im Hessischen Landtag müsse die Vorgänge aufklären. (tw)
Bild: Pixabay/gemeinfrei
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