Moskau. In den letzten Jahren sah sich Moskau immer wieder veranlaßt, den Eurovision Song Contest (ESC) mit herber Kritik zu bedenken – zu schwul, zu queer, zu „pervers“. Jetzt ist Schluß, und Moskau macht sein eigenes Ding. Der für vergangenen Samstag geplante „Intervision Song Contest“ in der russischen Hauptstadt ist ausdrücklich als Alternative zum Eurovision Song Contest gedacht. Außenminister Sergej Lawrow verspricht: „Ich garantiere, daß es dort keine Perversionen und Verhöhnungen der menschlichen Natur geben wird.“ Stattdessen solle ein Gegenpol zur westlichen Kultur geschaffen werden, der auf „traditionellen, kulturellen, religiösen und spirituellen Werten“ basiere.
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Der Wettbewerb geht auf ein persönliches Dekret von Kremlchef Putin zurück und knüpft an eine sowjetische Tradition aus dem Kalten Krieg an. Mehr als 20 Künstler und Bands werden in einer Moskauer Konzerthalle antreten, darunter Teilnehmer aus engen Partnerländern Rußlands wie Weißrußland und China, aber auch aus Indien, Südafrika, Ägypten und Kuba. Anders als beim ESC entscheidet ausschließlich eine Jury über den Sieger; eine Publikumsabstimmung ist nicht vorgesehen.
Die offizielle Legitimation der Teilnehmer ist unklar. Während der Veranstalter den US-Sänger B Howard ankündigte, stellte Lawrow klar, daß die USA „weder in der Jury vertreten sein noch eine Delegation schicken“ würden. Die US-Administration wiederum betont, es handle sich um eine rein private Teilnahme. Serbien ist das einzige Land, das sowohl beim ESC als auch in Moskau antritt.
Für Rußland selbst geht der bekannte Sänger Jaroslaw Dronow, alias „Shaman“, ins Rennen. Er steht auf der EU-Sanktionsliste und hat mit seinem patriotischen Lied „Ja Russkij“ („Ich bin Russe“) Berühmtheit erlangt, mit dem er seit Kriegsbeginn im Jahr 2022 rußlandweit auftritt. Shaman gilt als Befürworter des Angriffskriegs in der Ukraine und bekennender Putin-Anhänger.
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Die ideologische Abgrenzung zum Westen ist unübersehbar und gewollt. Außenamtschef Lawrow konnte sich einen Seitenhieb auf den westlichen Song Contest nicht verkneifen: „Wir bestreiten nicht das Recht der Jury und der Zuseher beim ESC, für einen bärtigen Mann im Frauenkleid zu stimmen.“ Die weißrussische Teilnehmerin Nastja Krawtschenko pflichtete bei: „Ich bin sicher, die Veranstalter werden keine ‚Freakshow‘ zulassen, und Männer in hohen Schuhen wird es ganz sicher nicht geben.“
Obwohl die Organisatoren den unpolitischen Charakter des Events betonen, ist seine politische Dimension unübersehbar. Sergej Kirijenko, Vizechef der Präsidialverwaltung, rechnete vor, daß die Teilnehmerländer „4,3 Milliarden Menschen repräsentieren – über die Hälfte der Weltbevölkerung“. TV-Direktor Konstantin Ernst brachte das Stichwort „Multipolarität“ ins Spiel und unterstrich damit das erklärte Ziel des Kreml, eine Weltordnung abseits der US-Dominanz zu fördern.
Der Rauswurf Rußlands aus dem ESC hat im Land Spuren hinterlassen. 2008 hatte Dima Bilan den Sieg für Rußland geholt und den Wettbewerb im Folgejahr nach Moskau gebracht. Nun soll der ISC die Lücke füllen – mit dem Ex-ESC-Gewinner als offiziellem Botschafter. (mü)
Pixabay/Gemeinfrei
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Bei den letzten Malen war eine Verschwulung beim Eurovision Song Contest (ESC) nicht zu übersehen! Ein bärtiger Mann in Frauenkleidern und mit Stöckelschuhen belegte einmal sogar den ersten Platz. In Rußland hingegen mit seinem strikten Verbot von „Pride-Paraden“ und ähnlichen sexuell-abartigen Aufzügen wäre solch ein Auftritt unmöglich!
Nach dem Präventivangriff Rußlands auf die Ukraine im Februar 2022, der dem Zweck diente, einen NATO-Beitritt der Ukraine zu verhindern, wurde es vom ESC ausgeschlossen.
Einige Zeit zuvor fand ein Auftritt zweier westlicher Pop-Diven vor einem begeisterten russischen Publikum statt. Sabrina und Samantha Fox präsentierten ihren Song „Call me“. Sabrina richtete vorher einige Worte an das russische Publikum (in Englisch, was natürlich sogleich ins Russische übersetzt wurde): „In den Achtzigern redete man uns ein, Russen und wir wären Feinde. Aber wir sind Freunde!“. Als ich Mitte der Achtziger als West-Tourist in Moskau war, hatte ich nie das Gefühl, daß Russen mir gegenüber Feinde sind, eher im Gegenteil. (Das „Call me“-Musikvideo kann man sich übrigens im Internet anschauen).
Und heute? Wenn ich an damals zurückdenke, kommen mir die Tränen. Egal, was Putin unternimmt oder nicht unternimmt, es wird ihm als ein feindlicher Akt ausgelegt. Nach dem Amtsantritt von Friedrich Merz (CDU) als Bundeskanzler hatte ich gehofft, er würde im Interesse Deutschlands Kontakt zum russischen Präsidenten Putin aufnehmen. Aber jetzt muß ich erkennen, daß das ein fundamentaler Irrtum war. Oder hat Merz noch einen zweiten Amtseid geleistet – diesmal zugunsten des ukrainischen Volkes?