Militärhistoriker Neitzel: Die Hälfte der Bundeswehrsoldaten ist nicht einsatzfähig

10. Juli 2025
Militärhistoriker Neitzel: Die Hälfte der Bundeswehrsoldaten ist nicht einsatzfähig
National
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Foto: Symbolbild

Berlin/Potsdam. Ein alarmierendes Urteil zum Zustand der Bundeswehr kommt vom Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel: nach seiner Einschätzung sind etwa die Hälfte der Soldaten derzeit nicht einsatzfähig. „Vor allem politisch fehlt aus meiner Sicht ein echter Reformwille – und zwar parteiübergreifend“, kritisierte der Potsdamer Professor für Militärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt im Gespräch mit der „Welt“.

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Zwar habe Verteidigungsminister Boris Pistorius (65, SPD) mehr erreicht als seine Vorgänger – „aber die Zeiten sind auch anders, und die grundlegenden strukturellen Probleme sind ungelöst“. Neitzel führt aus: „Über 50 Prozent der Soldaten sind nicht im Kern der Auftragserfüllung eingesetzt, also im Ministerium, in Stäben, in Ämtern. Das heißt also nicht, daß die alle im Ernstfall nichts machen, es sind einfach zu viele in der Bürokratie und viele von denen sind im Ernstfall eben kaum zu verwenden, weil sie zu lange aus der Truppe raus sind, körperlich und handwerklich nicht mehr fit sind, zu alt usw.“ Zwar könnten einige noch im Territorialheer oder in den neuen Brigaden eingesetzt werden, doch ein Großteil sei wohl nur noch für die Reserve brauchbar.

„Es ist also komplexer. Entscheidend ist, daß keine Organisation, in der über 50 Prozent nicht im Kern der Auftragserfüllung arbeiten, effizient und effektiv sein kann“, betont Neitzel gegenüber der „Bild“-Zeitung. Besorgniserregend sei zudem die personelle Schieflage: „Wir haben 22 Prozent Offiziere – im Kalten Krieg waren es acht Prozent. Wir haben genauso viele Oberstleutnante wie Hauptgefreite. Und niemand im Ministerium scheint bereit, das strukturell zu verändern.“ Jede Reform drohe daher, im Behördendschungel zu scheitern.

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Als Lösung fordert Neitzel eine radikale Umstrukturierung: „30.000 Offiziere und Unteroffiziere müßten frühpensioniert werden, das brächte Zug in den Kamin.“ Während Israel mit 25 Prozent Verwaltungsanteil auskomme, liege Deutschland bei über 50 Prozent. Doch ohne politischen Rückhalt bleibe alles beim Alten. „Mir ist kein Regierungspapier bekannt, das diesen Kern des Problems offen benennt. Derzeit wächst nur eines: die massive Frustration innerhalb der Bundeswehr.“

Die NATO habe klare Ziele vorgegeben, doch Deutschland hinkt hinterher. Bundesverteidigungsminister Pistorius fordert 50.000 bis 60.000 zusätzliche Soldaten – doch schon das bisherige Ziel von 203.000 wird derzeit krachend verfehlt. Trotz Werbekampagnen, drastisch gesenkter Anforderungen und vollmundiger Ankündigungen stagniert die Truppenstärke bei mageren 181.000. Die Bundeswehr steckt in einer tiefen Krise. Das ist aber nichts Neues. (he)

Bild: Pixabay/gemeinfrei

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