Deutscher Rußland-Investor: „Ich schäme mich für die Bundeskanzlerin“

21. August 2013

Foto: flickr/sermarr erGuiri, CC BY 2.0

Kostroma. Stefan Dürr ist Landwirt, seit zwanzig Jahren in Rußland tätig und wird dort „Wunderbauer aus dem Odenwald“ genannt. 

Seine 1993 gegründete Unternehmensgruppe Ekoniva bewirtschaftet mittlerweile eine Fläche von mehr als zwei Dritteln der Größe des Saarlandes. Darauf befanden sich im Vorjahr 15.500 Milchkühe, außerdem zählt das Unternehmen zu den größten Saatgutherstellern in Rußland.

Stefan Dürr hat in Kostroma eine Handelsfiliale für Landmaschinen. Er kümmert sich nicht nur um seine Geschäfte, denn die wirtschaftlichen Erfolge erlauben es ihm auch, hin und wieder als Mäzen aufzutreten, sei es beim Bau einer Kinderbetreuungseinrichtung in einem der Gebiete, wo sein Unternehmen ansässig ist, oder wenn er sich einfach für ein Projekt begeistert. So ist es derzeit in Kostroma der Fall. Dürr ist dort Mitglied des Kuratoriums der Stiftung für den Wiederaufbau des Kremls der Wolgastadt. Der Kreml war in der Stalinzeit bis auf zwei später als Wohnhäuser genutzte Gebäude restlos abgerissen worden. Die Initiative zum Wiederaufbau stammt laut Dürr von seinem Geschäftsfreund Alexander Schdanow, mit dem er sich mittlerweile angefreundet hat.

Das Projekt ist überschaubar, denn im Vergleich zum Moskauer Kreml war der Kreml von Kostroma eher ein Vorgarten. Das Geld soll aus Spendenmitteln aufgebracht werden. Dürr will da auch helfen und versuchen, den einen oder anderen aus Deutschland zu bewegen, sich ebenfalls zu engagieren.

In einem Gespräch mit der Russischen Agentur für internationale Informationen RIA Novosti nach der Tagung des Kuratoriums in Kostroma ging Dürr jüngst auch auf die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland ein. Diese könnten seiner Meinung nach wesentlich besser sein: „Mir geht jedes Mal die Galle hoch, wenn in Deutschland ein Rußlandbild verbreitet wird, das nicht der Wirklichkeit entspricht. Wir haben auch viele Gäste aus Deutschland zu Besuch hier. Und jedes Mal sagen sie, es ist ja alles ganz anders, als es im Fernsehen immer dargestellt wird. Auch meine Eltern, die vor ein paar Wochen wieder einmal hier waren, gestanden ein, Mensch, das ist ja alles ganz anders, als es uns in Deutschland präsentiert wird.“

Und auch den deutschen Politikern widmet Dürr deutliche Worte: „Was das Thema betrifft, welchen Wunsch ich an die deutsche Politik haben könnte, das ist einmal, daß Rußland realistisch und nicht immer nur schlecht dargestellt wird. Und zweitens, daß sich nicht in russische Angelegenheiten eingemischt wird, wo man als deutscher Politiker eigentlich nichts drin zu suchen hat, weil man keine Ahnung hat und sich von irgendwelchen Meinungen leiten läßt und dann zum Papagei wird. Und als deutscher Politiker wird man unglaubwürdig, wenn man sich für irgendetwas einsetzt, ohne die Zusammenhänge im Detail zu kennen und auf die Situation im Lande
einzugehen.“

Über die Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin zur Pussy-Riot-Affäre meint Dürr, es handle sich nur um Wahlkampfgetöse, denn den politischen Kandidaten seien Pussy Riot doch eigentlich völlig egal. Das einzige Resultat sei eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Ländern: „Dann entstehen Schwierigkeiten im Wirtschaftsbereich wie zum Beispiel Handelsbeschränkungen. Ich schäme mich für die Bundeskanzlerin und für manche Bundespolitiker.“

Stefan Dürr, der solch deutliche Worte an die deutschen Politiker richtet, erhielt im Oktober 2009 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, was er folgendermaßen interpretiert: „Die Auszeichnung belegt, daß meine Einstellung zu Rußland und die russisch-deutschen Beziehungen, für die ich mich stark mache, in Deutschland anerkannt werden.“ Doch die Politiker werden sich wohl nicht um die Ratschläge dieses echten Rußlandkenners kümmern. Wozu auch, wir sind es ja gewohnt, daß sie laufend über Dinge reden, von denen sie nichts verstehen und – schlimmer noch – darüber entscheiden.

Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Schlesier“.

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