Warschau/Brüssel. Der Streit zwischen Polen und der EU geht in die nächste Runde. Diesmal ist es besonders ernst, denn das Oberste Gericht des Landes hat gesprochen und eine folgenreiche Entscheidung verkündet, die lange verschoben worden war: es erklärte am Donnerstag die EU-Verträge in Teilen für verfassungswidrig. Die Vorsitzende Richterin Julia Przylebska warf den EU-Institutionen vor, sich unrechtmäßig in Polens innere Angelegenheiten einzumischen.
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Die Richterin listete eine ganze Reihe von Artikeln der EU-Verträge auf, die nicht mit dem polnischen Grundgesetz vereinbar seien. Mit ihrem Vorgehen gegen Warschau überschritten die EU-Institutionen ihre Kompetenzen.
Das Gericht folgte damit der Auffassung von Regierungschef Mateusz Morawiecki, der das Verfahren angestoßen und die Richter um eine Entscheidung zu der Frage ersucht hatte, ob die polnische Verfassung Vorrang vor EU-Recht habe. Anlaß waren Entscheidungen der EU-Gerichtsbarkeit in Luxemburg gegen die polnischen Justizreformen.
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Brüssel wirft der Regierung in Warschau vor, die Unabhängigkeit der Gerichte und die Gewaltenteilung zu untergraben, und hat deshalb eine Reihe von Verfahren in Luxemburg angestrengt. Auch wiederholten Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die Justizreform auf Eis zu legen, kam die polnische Regierung nicht nach. Das Verfassungsgericht stärkte der Regierung nun den Rücken. Der polnische Regierungssprecher Piotr Muller begrüßte den Richterspruch.
Das Urteil aus Warschau wird die ohnehin tiefen Gräben zwischen Warschau und Brüssel nach Einschätzung von Beobachtern weiter vertiefen und die Situation weiter eskalieren lassen. Denn die EU-Kommission hat Warschau vor wenigen Wochen bereits zu täglichen (!) Strafzahlungen verurteilt – so lange, bis die Warschauer Regierung den Anordnungen aus Brüssel Folge leistet. Darüber hinaus hält die EU-Kommission seit Monaten ihre Zustimmung zur Auszahlung von Milliarden-Mitteln an Polen aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds zurück. In Warschau wird dies als „Erpressung“ betrachtet.
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In Brüssel herrscht jetzt Betroffenheit. EU-Justizkommissar Didier Reynders zeigte sich „besorgt“ über die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Brüssel werde „alle Mittel“ ausschöpfen, damit das EU-Recht in Polen gewahrt bleibe. Das Prinzip, wonach EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht habe, sowie der bindende Charakter von Entscheidungen der EU-Justiz seien zentral für den Staatenbund.
Dramatische Worte fand auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn: „Das Urteil macht die Grundidee der europäischen Integration kaputt“, sagte Asselborn, der auch im Dauerkonflikt der EU mit Ungarn zu den prominentesten Scharfmachern gehört. Es dürfe nun kein EU-Geld mehr nach Polen fließen. Das wird sicherlich nicht sehr zur Entkrampfung der Situation beitragen. (mü)
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