Libyen-Forum in Tunesien: Konflikte und kaum Lösungen

13. November 2020
Libyen-Forum in Tunesien: Konflikte und kaum Lösungen
International
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Foto: Symbolbild

Tunis/Tripolis. Das libysche Forum für politischen Dialog (LPDF) findet seit dem 9. November in Tunesien statt. Es wird erwartet, daß 75 Delegierte aus den drei historischen Regionen Libyens einen Fahrplan für eine politische Lösung für das Land, einschließlich Vereinbarungen über eine Verfassung, die Einsetzung eines Präsidialrats und einer Regierung sowie Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Nach vier Tagen stecken die Verhandlungen aber in einer Sackgasse. Organisiert wird das LPDF von der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) unter der Leitung der US-Diplomatin Stephanie Williams.

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Im Westen Libyens, vor allem in der Hauptstadt Tripolis, protestierten bereits Milizen gegen das LPDF. Und auch im Osten Libyens will man dem Forum kein Vertrauen schenken Die Vertreter der Kräfte, die die oppositionelle Libysche Nationalarmee (LNA) von Khalifa Haftar unterstützen, sagen, daß 45 von den 75 Delegierten des LPDF „die Interessen radikaler Islamisten“ vertreten würden. Außerdem habe Stephanie Williams 49 von 75 Mitgliedern persönlich ernannt. Sie vertreten angeblich die „libysche Zivilgesellschaft“. Es besteht jedoch der Verdacht, daß die ehemalige US-Geschäftsträgerin in Libyen auf diese Weise die Kontrolle über die Stimmen innerhalb des Forums erlangt hat.

Zudem wird um das Forum und die diskutierten Themen eine große Geheimniskrämerei betrieben. Außer ein paar Fotos dringt kaum etwas nach außen. Und selbst diese Fotos werfen Fragen auf: Auf keinem sind die 75 Teilnehmer zu sehen – es scheint eher so, als seien nur 45 Personen am LPDF beteiligt.

Am 11. November sagte Stephanie Williams, daß sich die Teilnehmer des LPDF auf einen Plan zur Vereinigung der Behörden des Landes geeinigt hätten. Es werde davon ausgegangen, daß in Libyen spätestens 18 Monate nach Beginn der Übergangsperiode Wahlen abgehalten werden können.

Während dieser Zeit solle das Land von einer „Übergangsregierung“ regiert werden. Es liegen jedoch keine offiziellen Informationen darüber vor, wo diese Regierung ihren Sitz haben wird. Und auch das ist entscheidend. Khaled Al-Mahjoub, Vertreter der LNA, bestätigte daß das, was entscheidend sei, „die Machtübergabe aus den Händen der bewaffneten Gruppen von Tripolis an Sirte ist, indem das Hauptquartier der Verwaltung nach Sirte verlegt und damit den bewaffneten Gruppen entzogen“ werden würde.

Wenn das Hauptquartier der neuen Interimsregierung in Tripolis liegt, könnte sich die Geschichte der Regierung der Nationalen Übereinkunft (GNA) wiederholen, die nicht Erfolgen gesegnet war. Die internationale Gemeinschaft glaubte vor fünf Jahren, daß nach dem Abschluß des Skhirat-Abkommens endlich Frieden in Libyen einkehren würde. Doch es kam völlig anders. Als die GNA 2016 in Tripolis eintraf, geriet sie unter die Kontrolle islamistischer Gruppen, die bis dahin die Hauptstadt kontrollierten. Und die GNA wurde von einer Regierung, die für Frieden und Kompromisse sorgen sollte, zu einem Instrument von islamistischen Freischärlern und Dschihadisten.

Dasselbe erwartet eine neue Regierung, wenn sie sich in Tripolis niederläßt. Sirte gilt hingegen als Stadt „der Mitte“ zwischen Tripolitanien, das von der derzeitigen GNA und ihren Milizen kontrolliert wird, und der Cyrenaica, die von der LNA größtenteils beherrscht wird. Sirte ist zudem eine Stadt, die frei von Islamisten ist, und sei deshalb nach Ansicht einiger Teilnehmer des Forums am besten als Sitz der Provisorischen Regierung geeignet. Laut Informationen aus Quellen LPDF wird jedoch Tripolis im Entwurf des Abkommens, das am 15. November von den Teilnehmern des Forums unterzeichnet werden soll, als Sitz der Übergangsregierung genannt.

Ein weiteres Problem des LPDF ist die mangelnde Transparenz bei den Wahlen der libyschen Interimsführung – und der geplante Zentralismus.Nach dem Abkommensentwurf wird die Macht im Land (einschließlich des Militärs) in den Händen des Premierministers konzentriert, den nur das LPDF abzusetzen berechtigt ist. Der Präsidialrat, in dem alle libyschen Regionen vertreten sein sollen, wird nur als kollektiver Oberbefehlshaber und Symbol der nationalen Einheit ohne wirkliche Befugnisse dienen. Daher wird es kein Gleichgewicht und keine Berücksichtigung der Interessen der Regionen in Libyen geben. Die Region, die den Premierminister vertreten wird, kann den anderen ihren Willen aufzwingen. Angesichts des Sitzes der Regierung in Tripolis ist bereits jetzt klar, daß sie ein Vertreter des Westens sein wird. Das ist für die anderen Regionen schon jetzt inakzeptabel. Es ist kaum vorstellbar, daß sich die anderen Regionen einer solchen Regelung einfach so unterwerfen werden. Und genau damit wäre wieder eine Konfliktsituation geschaffen, die schnell wieder zu einem neuen Bürgerkrieg eskalieren könnte.

Als wäre das alles nicht schon genug, gibt es noch eine zusätzlichen Hemmschuh des LPDF: Es besteht die ernste Gefahr, daß die Macht an radikale Islamisten übertragen wird. Stephanie Williams vertritt die Interessen der USA. Und der proamerikanischste Kandidat ist der jetzige GNA-Innenminister Fathi Baschaga, der bereits in der Vergangenheit sich als US-Lobbyist in Libyen betätigt hat. Baschaga hat bereits mehrmals gefordert, eine US-Militärbasis im Land zu errichten. In Washington hörten das die Falken gerne.

Baschaga hat aber noch einiges mehr auf dem Kerbholz: Er kommandiert Islamisten-Milizen, wird Kriegsverbrechen beschuldigt und gilt als Folterer. Für Williams und Washington ist das alles kein Problem.

Wenn er oder ein anderer Politiker mit einer engen Verbindung zur „Muslimbruderschaft“ oder anderen radikal-islamischen Gruppen gewählt wird, steht Libyen vor einem neuen Konflikt. Vor diesem erscheint selbst der derzeitige Chef der GNA, der pro-türkische Politiker Fayiz al-Sarradsch, gemäßigt. Ahmed Mitiig, libyscher Wirtschaftsvertreter und stellvertretender Premierminister der GNA, gilt auch als moderat und kompromißbereit. Auch er ist ein Kandidat für die neue Staatsführung. Allerdings hat er keine Lobby in den USA. (CF)

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