Berlin. Deutsche Behörden haben im laufenden Jahr oft wie nie zuvor auf die Konten von Bürgern zugegriffen. Das Bundeszentralamt für Steuern habe alleine in den ersten neun Monaten 688.608 Anfragen beantwortet, berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf Zahlen des Bundesfinanzministeriums. Das sind stattliche 100.000 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.
Setze sich die Entwicklung im Restjahr fort, werde es 2019 erstmals mehr als 900.000 Abfragen geben. Datenschützer fordern eine Überprüfung der rechtlichen Grundlage für diese Kontrollwut. „Ich halte eine Evaluierung des Kontenabrufverfahrens für dringend notwendig“, sagte der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, der „Welt am Sonntag“. Jeder Kontenabruf sei ein „Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“.
In den ersten neun Monaten des Jahres seien zwei von drei Anfragen von Gerichtsvollziehern gekommen, genau waren es 452.750. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres habe der Zähler auf 415.197 gestanden.
Das Bundesjustizministerium verteidigte unterdessen die Praxis zur Aufdeckung von Vermögenswerten. Die Übermittlung von Kontodaten stelle „einen wesentlich schwächeren Grundrechtseingriff dar, als es ein Freiheitsentzug wäre“, teilte das Ministerium der „Welt am Sonntag“ mit.
Kontenabrufverfahren wurden ursprünglich zum Zweck der Geldwäschebekämpfung und der Terrorismusabwehr eingeführt. Nach und nach bekamen aber immer mehr Stellen die Möglichkeit, Konten von Bürgern zu ermitteln: 2005 die Finanzämter und Sozialbehörden, 2013 auch die Gerichtsvollzieher. (rk)