Berlin. Das ist kein Ruhmesblatt für die Bundesrepublik: dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zufolge hat die Bundesregierung sage und schreibe dreimal innerhalb eines Jahres das Völkerrecht gebrochen.
Der aktuelle Fall, in dem die Linksfraktion im Bundestag ein juristisches Gutachten vom Wissenschaftlichen Dienst angefordert hatte, betrifft die Festsetzung des iranischen Ölfrachters „Grace 1“ vor Gibraltar. Hier habe die Bundesregierung mit ihrer Unterstützung der Beschlagnahmung des Tankers völkerrechtswidrig gehandelt, urteilt der Dienst. Die Beschlagnahmung des Schiffes am 4. Juli 2019 durch ein britisches Marinekommando in der Straße von Gibraltar habe „keine Rechtsgrundlage im Seevölkerrecht“, so das eindeutige Urteil des Wissenschaftlichen Dienstes.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das aktuelle Gutachten ist das dritte seiner Art innerhalb von weniger als einem Jahr, das zu der Schlußfolgerung kommt, daß die Bundesregierung völkerrechtswidrig gehandelt hat. Als im September 2018 ein möglicher Angriff auf Syrien diskutiert wurde, sprachen sich führende Vertreter von Regierungs- und Oppositionsparteien teilweise sehr explizit für eine deutsche Beteiligung aus. Auch Kanzlerin Merkel schloß damals eine Teilnahme der Bundeswehr nicht aus. Auch in diesem Fall kam ein ebenfalls von der Linksfraktion in Auftrag gegebenes Völkerrechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu einem eindeutigen Urteil.
In dem Gutachten mit dem Titel „Rechtsfragen einer etwaigen Beteiligung der Bundeswehr an möglichen Militärschlägen der Alliierten gegen das Assad-Regime in Syrien“ erklären die Völkerrechtler, daß eine deutsche Beteiligung sowohl gegen geltendes Völkerrecht als auch gegen das Grundgesetz und das deutsche Strafgesetz verstoßen würde.
Fall Nummer drei: die vorauseilende Anerkennung des venezolanischen Putsch-Präsidenten Guaidó durch die Bundesregierung im Januar 2019. Sie wurde vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in einem Gutachten vom 15. Februar ebenfalls als völkerrechtlich fragwürdig eingestuft. Hier heißt es in dem Gutachten wörtlich:
„Mit dem Verweis auf Art. 233 der venezolanischen Verfassung positioniert sich Deutschland gleichzeitig in einer strittigen Frage des venezolanischen Verfassungsrechts. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der ‚Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates‘ völkerrechtlich ebenso fragwürdig wie die (vorzeitige) Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten, der sich im Machtgefüge eines Staates noch nicht effektiv durchgesetzt hat.“ (se)
Bildquelle: Flickr/Metropolico.org/CC-BY-SA-2.0
Wie oft wird hier Menschenrecht gebrochen?