Budapest. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist inzwischen die stärkste Stimme der radikalen Rechten in Europa. Das behauptet der niederländische Politikwissenschaftler und Extremismus-Forscher Cas Mudde. Er hielt kürzlich zu diesem Thema einen Vortrag – ausgerechnet an der Central European University (CEU) in Budapest, die von dem Multimilliardär George Soros gefördert wird, aber infolge der ungarischen Regierungspolitik demnächst ihre Zelte in Ungarn abbrechen wird.
Ganz objektiv muten Muddes Ausführungen deshalb nicht an. Schon im April vertrat er seine Thesen in einem Beitrag unmittelbar nach der ungarischen Parlamentswahl. Seine These: Orbán ist für die Rechte in ganz Europa eine neue Führungs- und Identifikationsfigur und stellt als solche auch bisherige Größen wie Marine Le Pen oder den Niederländer Geert Wilders in den Schatten.
Auch Mudde hält freilich an einem linksliberalen Dogma fest, das derzeit in ganz Europa von der Realität widerlegt wird: „Orbáns Ungarn ist nicht die Zukunft Europas, das ist die untergehende, nationalistische Vergangenheit.” Damit diese These nicht ganz so realitätsfern erscheint, kategorisiert Mudde Orbáns Fidesz-Regierungspartei nicht, wie üblicherweise praktiziert, als konservative, sondern bereits als stramm „rechtsradikale“ Partei. Um das Jahr 2015 herum habe sich der Wandel vollzogen, als Orbán seine Rhetorik wechselte und auf „xenophob“ umschaltete.
Im Zuge der Migrationskrise 2015 sei Orbán dann zur stärksten Stimme der europäischen Rechten avanciert. Laut Mudde sei mittlerweile eine „neue politische Epoche“ erreicht, in der die Grenzen zwischen Mainstream und „Rechtsradikalismus“ immer fließender würden. Auch in Österreich sei die ÖVP nach rechts gerückt, dadurch aber nicht schwächer geworden.
Im übrigen hätten die europäischen Rechten noch längst nicht ihr ganzes Potential ausgeschöpft – dies hätte aber eine strukturierte und breite Zusammenarbeit zur Voraussetzung, von der etwa im Europaparlament noch wenig zu sehen sei. „Aber auch so“, lamentiert Mudde, „geraten sie aus der Randposition in den Mainstream, immer mehr bestimmen sie die Sprache der Debatten des öffentlichen Lebens, und immer begünstigender wird für sie der heimische und globale Kontext.“ (mü)