Brüssel. Während die EU in anderen Weltteilen gerne mit erhobenem Zeigefinger als Hort der Demokratie auftritt, stutzt sie gleichzeitig in Europa Demokratie und Meinungsvielfalt kontinuierlich zusammen. Das Bundesverfassungsgericht kippte deshalb vor der letzten Europawahl 2014 die in Deutschland geltende Fünf-Prozent-Klausel – kleinere Parteien sollten gegenüber den großen nicht weiter benachteiligt werden, argumentierten die Richter. Als Folge dieser Entscheidung des deutschen Höchstgerichtes schaffte es 2014 unter anderem die NPD erstmals ins Europaparlament.
Doch die Bundesregierung akzeptiert diese Entscheidung bis heute nicht. Hinter den Kulissen der Brüsseler Politik betreibt sie hartnäckige Wühlarbeit, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen und durch die europäische Hintertür neue Sperrhürden einzuführen.
In diesen Tagen nun steht eine Entscheidung des EU-Ministerrats über ein neues Wahlgesetz für künftige Europawahlen an. Beobachter überrascht es nicht, daß nur Deutschland auf eine Sperrklausel pocht. Alle anderen EU-Länder könnten darauf verzichten. Bislang bietet nur Belgien dem Druck aus Berlin noch die Stirn, weshalb die Entscheidung im Ministerrat noch auf Eis liegt. Der italienische Vertreter hat es ebenfalls nicht eilig – er betrachtet sich wegen der noch ausstehenden Regierungsbildung in seinem Land als nicht befugt, sich in einer wichtigen Frage wie dem EU-Wahlrecht zu positionieren. (mü)
Neben der Fünf-Prozent-Klausel noch steht ein weiteres Problem im Raum, dass im Artikel gar nicht erwähnt wird, nämlich die ungleiche Wertigkeit der Stimmen. Wie kann es sein, dass die Stimme eines maltesischen Wählers soviel wiegt wie die Stimmen von etwa dreizehn deutschen Wählern? Dieses Scheinparlament ist nicht anderes als eine Volkskammer 2.0, die getreu Ulbrichts Maxime, „es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, geführt wird.