Straßburg. Eigentlich wollte die EU-Kommission den Mitgliedsländern ein neues, einheitliches Wahlrecht auf den Leib schneidern. Dieses sieht unter anderem die Neuverteilung der infolge des Brexit wegfallenden 73 britischen EU-Mandate vor, vor allem aber die Institutionalisierung transnationaler Wahllisten – eine Regelung, die große, europaweit antretende Parteien wie Christ- oder Sozialdemokraten weiter bevorteilen, kleine, nicht europaweit vertretene Parteien aber benachteiligen würde.
Vertreter der etablierten Parteien und der EU-Spitze versuchten die Neuregelung im Vorfeld als Beitrag zur mehr Bürgernähe und Transparenz zu verkaufen. Aus deutscher Sicht wäre der EU-Plan auch deshalb problematisch gewesen, weil die 73 britischen Parlamentssitze zwar auf fast alle anderen EU-Mitgliedsländer verteilt worden wären – nur Deutschland sollte leer ausgehen, weil die Bundesrepublik bereits über das Maximum von 96 Abgeordneten verfügt. Dabei sind die Mandate schon jetzt politisch sehr ungleich gewichtet – ein deutscher Europaabgeordneter vertritt z.B. viel mehr Wähler als derjenige eins kleinen EU-Landes, der weit weniger seiner Landsleute repräsentiert.
In der Abstimmung im Straßburger Europaparlament am Mittwoch fiel der Kommissionsentwurf überraschenderweise glatt durch. Von 676 anwesenden Abgeordneten sprachen sich 368 gegen die Einführung dagegen aus. 274 waren dafür, 34 enthielten sich.
Auch wenn das Parlament zugestimmt hätte, wäre der Kommissionsplan vermutlich spätenstens im Europarat gescheitert. Die vier Visegrad-Staaten hatten bereits im Vorfeld ausdrücklich ihren Widerspruch angemeldet. (mü)