Brüssel/Sofia. Das überrascht Beobachter – die EU wird keine eigenen Gesetze gegen „Haß“ und angebliche „Hetze“ im Internet erlassen. Die zuständige EU-Justizkommissarin Vera Jourova erklärte dazu jetzt in Sofia, es gebe von den Mitgliedstaaten keine einschlägigen Forderungen. Sie werde deshalb weiter auf die freiwillige Selbstverpflichtung von Online-Netzwerken setzen. Diese sieht vor, daß Haßbotschaften schnellstmöglich gelöscht werden.
Nach einer aktuellen Untersuchung der EU-Kommission nahmen die Unternehmen Facebook, Twitter und YouTube zuletzt rund 70 Prozent aller in den EU-Staaten beanstandeten Inhalte auf Grundlage der Selbstverpflichtung aus dem Netz. Dies war deutlich mehr als bei der Überprüfung im Mai 2017. Damals konstatierte die Kommission eine Löschquote von ebenfalls bereits 59 Prozent. Ende 2016 lag sie noch bei 28 Prozent.
In der EU-Kommission werden die jüngsten Zahlen allerdings auch als Indiz dafür gesehen, daß Deutschland mit dem umstrittenen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG) möglicherweise zu schnell ein Gesetz gegen „Haß“ im Netz eingeführt hat. Die Brüsseler Behörde hatte den deutschen Alleingang zuletzt mehrfach kritisiert. Sie befürchtet einen Flickenteppich an Regeln in Europa und einen möglichen Mißbrauch durch Regierungen, die die Meinungsfreiheit einschränken wollen. Genau diesem Vorwurf sieht sich die deutsche Bundesregierung ausgesetzt – seit Inkrafttreten des NetzDG zu Jahresbeginn hat die Löschung von Inhalten und ganzen Profilen in den sozialen Netzwerken ein exzessives Ausmaß erreicht. (mü)