Bukarest/Brüssel. Nachdem sich die EU-Kommission zur Einleitung eines sogenannten Artikel-7-Verfahrens gegen Polen entschlossen hat, ist auch die rumänische Regierung unter Ministerpräsident Klaus Johannis alarmiert. Denn: wegen angeblich drohender Einschränkungen der Freiheit der Justiz gab es in Rumänien monatelange Demonstrationen, und die EU warnte ebenfalls bereits.
Nichtsdestotrotz billigte der rumänische Senat nun zwei umstrittene Gesetze, die nach Ansicht von Kritikern der Freiheit der Justiz abträglich sein könnten. Beide Gesetzesvorhaben waren von den Regierungsparteien PSD (Sozialdemokraten) und Alde (Liberale) auf den Weg gebracht worden. Jetzt müssen sie vom Staatspräsidenten unterzeichnet werden.
Dieser hat das polnische Beispiel vor Augen und ließ sich mit einer Warnung vernehmen: „Es besteht ein offensichtliches Risiko, daß der Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Rumänien aktiviert wird, wie im Fall Polens”, sagte Johannis, und: „Wer sich vorstellt, daß es keine Folgen geben wird, ist schlichtweg vom Mond gefallen.”
Der Staatschef kann Gesetze nur einmal an das Parlament zurückverweisen. Werden sie erneut beschlossen, muß er sie gegenzeichnen und damit in Kraft setzen. Den umstrittenen Neuregelungen in Rumänien zufolgen sollen Staatsanwälte künftig nicht mehr ohne Beschränkungen arbeiten können. Ihre Ermittlungsschritte dürfen künftig von ihrem Vorgesetzten annulliert werden, wenn dieser sie für „unsolide” hält. Experten kritisieren, der vage Begriff „unsolide” könnte zu Mißbrauch führen. Richter und Staatsanwälte sollen zudem in Zukunft persönlich finanziell für Justizirrtümer haften.
Entscheidungen im Verfahren nach Artikel 7 liegen beim Rat der EU-Mitgliedsländer. Nach einem Antrag der EU-Kommission könnten diese mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, daß die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der „Grundwerte der Europäischen Union“ besteht. Im Fall Polens ist dies kürzlich erstmals in der Geschichte der EU geschehen. (mü)