Budapest/Warschau. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat der national-konservativen Regierung Polens Unterstützung zugesagt, um mögliche Strafen der Europäischen Union wegen der umstrittenen Justizreform zu verhindern. Ungarn werde alle rechtlichen Möglichkeiten in der EU nutzen, um mit Polen Solidarität zu zeigen, erklärte Orbán jetzt in einer vom Fernsehen übertragenen Rede aus dem rumänischen Baile Tusnad, wo er vor Auslandsungarn und Studenten sprach. Orban sprach von einer „Inquisitionskampagne“, die die EU gegen Polen anstrebe, um die Justizreform zu verhindern.
Orbán sieht sich selbst im Visier von EU-Gängelungsmaßnahmen. Im Juni hatte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und die Tschechische Republik eröffnet, weil diese Länder sich nicht an der Aufnahme und Umverteilung von „Flüchtlingen“ beteiligen.
In Polen nahm die Justizreform, gegen die die EU mobilisiert, in der Nacht zum Samstag die letzte Hürde im Parlament. Nach dem Abgeordnetenhaus stimmte auch der Senat für das Gesetz. Es soll der Regierung unter anderem ermöglichen, Richter am Obersten Gerichtshof zu entlassen und zu ernennen.
„Die EU-Kommission hat am Mittwoch Maßnahmen gegen die umstrittene polnische Justizreform beschlossen. Vizepräsident Frans Timmermans kündigte in Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des am Dienstag unterzeichneten Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit an. Die Kommission werde einen formalen Bescheid dazu versenden, sobald der Gesetzestext veröffentlicht sei“, berichtet die F.A.Z. (mü)
„Mit Artikel sieben des EU-Vertrags kann einem Mitgliedsland das Stimmrecht entzogen werden; das gilt als höchste Sanktion in der Europäischen Union. Allerdings muss dieser Strafe jedes EU-Mitgliedsland zustimmen. Ungarn hat bereits deutlich gemacht, dass es ein solches Vorgehen gegen Polen nicht mittragen würde.“ (BR)