London/Brüssel. Jetzt wird es ernst: die EU und Großbritannien haben sich offiziell auf einen Start der Brexit-Verhandlungen am Montag festgelegt. Das bestätigten EU-Beamte am Donnerstag in Brüssel. Damit bleibt es bei dem schon vor Wochen angepeilten Termin, obwohl sich die Regierungsbildung in Großbritannien verzögert.
Fast genau ein Jahr nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt sprechen beide Seiten dann erstmals über das Kleingedruckte des britischen EU-Austritts. Die Frist für die Verhandlungen läuft bis März 2019. Die EU will zunächst über Garantien für EU-Bürger in Großbritannien sowie über die Schlußrechnung nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft und die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland sprechen.
Großbritannien will sofort auch über die künftigen Beziehungen und ein ambitioniertes Freihandelsabkommen reden, denn die britische Premierministerin Theresa May will das Land auch aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion herausführen. (mü)
Die Mehrheit der Briten hat sich vor einem Jahr bekanntlich für einen Austritt aus der EU entschieden, weil nach ihrer Überzeugung eine Mitgliedschaft mehr Nach- als Vorteile für ihr Land bringt. Seitdem hat die EU-Kommission immer wieder versucht, diese demokratische Entscheidung infrage zu stellen.
Daß die Austrittsverhandlungen bis März 2019 dauern sollen, ist mir unverständlich. Nun gut, die wirtschafts- und handelspolitischen Vereinbarungen dürften etwas komplizierter sein, aber die übrigen? „Wer schuldet wem wieviel?“ dürfte die Schlußrechnung beantworten. Diejenigen EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich bereits (seit längerem) leben und arbeiten und dem Staat nicht auf der Tasche liegen, erhalten eine Daueraufenthaltserlaubnis. Die EU-Langzeitarbeitslosen machten (freiwillig) eine Umschulung oder müßten das Land verlassen. Für zukünftige Einwanderer aus dem EU-Raum würden wahrscheinlich die Bestimmungen der USA, von Kanada, Australien etc. gelten – kann auch nicht so schlimm sein. Und für die Ausgestaltung der Grenze zwischen Großbritannien und Irland könnte jene zwischen Deutschland und der Schweiz Vorbild sein.
Meines Erachtens steckt hinter der ungewöhnlich langen Dauer der Austrittsverhandlungen politisches Kalkül. Entweder will die EU-Kommission Großbritanniens Regierung „weichkochen“ und „über den Tisch ziehen“ oder sie rechnet mit einer politischen Wende in dieser Zeitspanne und damit mit einer Rücknahme der Brexit-Entscheidung.
Ergänzung: … „die (Einwanderungs-)Bestimmungen der USA, von Kanada, Australien etc. gelten“ bezieht sich auf Qualifikation, Leistungsbereitschaft, keine Vorstrafen, Loyalität zum neuen Staat; Großbritannien würde ein klassisches Einwanderungsland werden. … – „kann auch nicht so schlimm sein“. ….