Kiew. Angesichts des bevorstehenden Winters hat es die Energieversorgung der Ukraine auch dieses Jahr wieder in die Schlagzeilen des Landes geschafft. Denn seit dem Frontwechsel Kiews im Gefolge des Maidan-Putsches 2014 ringt die Ukraine um ihre Energie-Unabhängigkeit vom russischen Gazprom-Konzern, allerdings ohne überzeugenden Erfolg.
Jetzt verplapperte sich der Chef des nationalen Energieversorgers Naftogas, Andrej Kobelew, offenbar mit Details zur künftigen Energieversorgung des Landes, als er in einem Interview durchblicken ließ, man wolle die geplante Fördersteigerung von 20 auf 27 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr durch die Nutzung von Fracking-Technologien erreichen. Die erste Bohrung zur Erschließung von Schiefergas sei bereits erfolgt. Da die Ukraine selbst keine Erfahrung bei der Technologie habe, setze das Land auf europäische Partner, fügte Kobelew hinzu.
Eine brisante Äußerung – denn Fracking-Pläne der westlichen Konzerne Shell und Chevron gab es schon vor dem Putsch 2014. Sie sollen angesichts der anhaltenden ökonomischen und politischen Schwierigkeiten der Ukraine allerdings inzwischen auf Eis gelegt worden sein.
Nach einer Schätzung des US-Energieministeriums verfügt die Ukraine über die viertgrößten Schiefergasreserven Europas mit insgesamt 128 Billionen Kubikmetern und könnte damit tatsächlich ihren Eigenbedarf auf lange Sicht selbst decken. Allerdings ist die Fördermethode Fracking wegen hoher Umweltrisiken umstritten und in mehreren Ländern inzwischen verboten – allerdings nicht in der Ukraine. Beobachter fragen sich nun, ob westliche Energiekonzerne nun doch noch das große Schiefergas-Geschäft in der Ukraine wittern und mit dem Fracking dort ernst machen wollen.
Weil die Fracking-Ankündigung des Naftogas-Chefs offenbar in der ukrainischen Öffentlichkeit für Unruhe sorgte, wurde Kobelew von der Kiewer Regierung prompt zurückgepfiffen. Die Naftogas-Pressestelle dementierte die Aussagen ihres Chefs demzufolge und erklärte, es gehe nicht um Schiefergas: „Wir planen die Nutzung erschwinglicher moderner Technologien, um effizienter traditionelles Gas zu fördern. In der Ukraine gibt es genügend Erdgas, um auf den Import zu verzichten“, heißt es in der Naftogas-Mitteilung.
So oder so bleibt die Frage auch in diesem Jahr spannend, wie die marode Ukraine ohne russisches Gas warm über den Winter kommen will. (mü)