Warschau. Das war zu erwarten: fristgerecht zum Ablauf einer von Brüssel gesetzten Drei-Monats-Frist hat die polnische Regierung jetzt die Vorschläge der EU-Kommission zur „Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien“ zurückgewiesen. Die EU-Kommission habe sich angesichts des polnischen Streits über die Reform des dortigen Verfassungsgerichts „parteiisch“ verhalten, erklärte Außenminister Witold Waszczykowski im polnischen Rundfunk.
Wörtlich ließ der Außenminister in einer Presseerklärung mitteilen: „Wir stellen mit Bedauern fest, daß die Empfehlungen der EU-Kommission Ausdruck einer unzureichenden Kenntnis der Funktionsweise des polnischen Rechtssystems sind.“ Warschau habe der EU-Kommission eine zehn Seiten lange Stellungnahme übergeben, die jedoch nicht veröffentlicht werde, berichteten polnische Medien.
Vorangegangen waren im Juli „Empfehlungen“ der EU-Kommission zur „Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien“, die auch eine Stellungnahme innerhalb von drei Monaten von Warschau einschlossen. Ohne eine zufriedenstellende Lösung seien Sanktionen möglich, die bis zum Entzug von Stimmrechten reichen können, hatte die EU-Kommission am 27. Juli angekündigt.
Es ist der erste Fall, daß sich die EU-Kommission zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eines ihrer Mitgliedsländer veranlaßt sieht. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und dessen Beschlüsse mißachtet zu haben. Die in Warschau regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hält unterdessen an ihrem Vorhaben zur Reform des Verfassungsgerichts fest. Mit einem jüngst eingebrachten Vorschlag möchte die Regierungsmehrheit das Wahlverfahren für den Präsidenten des Verfassungsgerichts verändern. (mü)