Kommentar von ZUERST!-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter zum „Fall Piskorski“

25. Mai 2016
Kommentar von ZUERST!-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter zum „Fall Piskorski“
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Am 18. Mai – ausgerechnet an seinem 39. Geburtstag – wurde der polnische Politikwissenschaftler und Oppositionspolitiker Dr. Mateusz Piskorski vom polnischen Inlandsgeheimdienst ABW verhaftet. Zeitgleich stürmten Beamte des ABW die Geschäftsräume der Partei „Zmiana“ („Wechsel“), deren Vorsitzender Piskorski ist, sowie die Privatwohnungen der Parteiführung. Der Angriff fand gleichzeitig in drei polnischen Städten statt.

Erst einen Tag später lieferten die polnischen Behörden eine vage Begründung für diesen Schlag: Mateusz Piskorski stehe unter Verdacht, Spionage betrieben zu haben – für wen, wurde dabei nicht gesagt. Seitdem schießen in den polnischen Medien die Gerüchte ins Kraut: Piskorski könnte für Rußland, für China oder gar für den Irak spioniert haben. Und wer weiß für wen sonst noch…

Mateusz Piskorski war dem pro-westlichen polnischen Establishment schon lange ein Dorn im Auge. In Warschau führte er das „Europäische Zentrum für geopolitische Analysen“, in Berlin war er stellvertretender Direktor des „Deutschen Zentrums für Eurasische Studien“, dem ich selber vorstehe. Unser Ansatz mag auf den ersten Blick banal klingen: Nicht nur „denken“, sondern auch „handeln“. Wir waren beispielsweise gemeinsam an verschiedenen geopolitischen Brennpunkten dieser Welt, um uns vor Ort über die Gegebenheiten zu informieren anstatt unserer Mainstreamberichterstattung zu vertrauen. Das wurde und wird nicht gerne gesehen, stets hagelte es Kritik seitens der etablierten Politik und der Presse.

Wenn unsere Regierungen – und da unterscheidet sich die polnische nicht von der deutschen – nicht im Interesse unseres Landes handeln, bedarf es einer Korrektur. Amerikahörigkeit, NATO-Abenteuer in aller Welt, die Übertragung wichtiger Souveränitätsrechte auf den Brüsseler Moloch „EU“, Unterstützung für Terrorbewegungen im Nahen Osten, Aggression gegen Rußland, Ablehnung direkter Demokratie (Plebiszite) – das alles sind die Themen, mit denen wir uns beschäftigen und wir das Gegenteil dessen vertreten, was unsere Regierungen derzeit machen. So ist Mateusz Piskorski einer der versiertesten und leidenschaftlichsten Gegner der polnischen NATO-Mitgliedschaft und der Stationierung US-amerikanischer Truppen auf polnischem Boden.

Im Juni 2015 bestritten Piskorski und ich gemeinsam eine Diskussionsveranstaltung über Europas Zukunft in Warschau. Wir waren uns in den meisten Punkten einig. Die polnische Mainstreampresse tobte damals: „Polnischer Kreml-Agent diskutiert mit pro-russischem, deutschen Rechten“. Damals haben wir darüber gelacht, wieviel Angst das pro-westliche Establishment Polens vor uns beiden doch haben muß.

Wie groß diese Angst aber tatsächlich ist, zeigte der 18. Mai, als der polnische Inlandsgeheimdienst Piskorski aus dem Verkehr zog. Der „Fall Piskorski“ ist ein Politskandal. Denn er zeigt, daß man in Polen mit staatlicher Willkür gegen Regierungsgegner vorgeht. Er zeigt aber auch einmal mehr, daß die „Bürger- und Menschenrechtspolitik“ in Brüssel, Berlin, Paris, London und Washington nur leeres Gerede ist. Während man sich dort für inhaftierte Journalisten in der Türkei oder für zweifelhafte russische „Mädchenbands“ wie Pussy Riot einsetzt, schweigt man bei Piskorski. Wir können uns aber sicher sein: Wäre Mateusz Piskorski ein liberaler polnischer Homosexuellenlobbyist, ausstaffiert mit Regenbogen- und EU-Fahne – vor den polnischen Botschaften dieser Welt würde George Soros sei Dank – heftig demonstriert werden. Er ist aber „nur“ ein Patriot und Souveränist, der sein Land und Europa vor einer weiteren Amerikanisierungswelle schützen möchte.

Piskorski ist kein „Agent“ und erst recht kein „Spion“. Er machte und macht nie ein Geheimnis aus seinen Aktivitäten. Im Gegenteil: Die Medienarbeit gehört stets mit dazu. Nichts ist „geheim“ oder gar eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“.

Es geht daher heute in Warschau nicht darum, einen „Kreml-Agenten“ auszuschalten – mit der Verhaftung Piskorskis zündet die polnische Regierung eine neue Eskalationsstufe im Kampf gegen die Meinungs- und Gedankenfreiheit. Denn der polnische Politikwissenschaftler wurde wegen seiner Ideen verhaftet und nicht etwa wegen seiner angeblichen Taten.

Die Inhaftierung Piskorskis zeigt aber auch noch etwas anderes: All jene, die glauben, die polnische Regierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) sei wegen ihrer gesellschaftskonservativen Inhalte oder ihrer hemmungslos zur Schau gestellten Islamfeindlichkeit etwa ein „Partner“ für die Euroskeptiker, irren sich gewaltig. In Warschau regiert heute ein Neocon-Abklatsch, der aus seiner antideutschen und antirussischen Haltung keinen Hehl macht, der zwar Brüssel wegen der liberalen Gesellschaftspolitik verachten mag, dafür aber das eigene Land der Stationierung fremder Truppen ausliefert.

Darauf hat Piskorski in der Vergangenheit immer wieder auch im Gespräch mit linken und rechten Eurogegnern und -skeptikern hingewiesen. Auch das wird man meinem Freund Mateusz in Warschau nicht verziehen haben.  (Manuel Ochsenreiter)

4 Kommentare

  1. Manfred sagt:

    Deutsche sollten lieber nicht mehr nach Polen reisen.Kritische Bemerkungen betreffs NATO,Russland,Amerikafreundlichkeit könnten zum Verhängnis werden.Ich habe früher gerne Polen besucht,doch die Politik ist eine andere geworden.Die Situation spitzt sich immer mehr zu.Alles sieht nach Kriegsvorbereitung aus.Es ist für mich offensichtlich.Patrioten wie Piskorski werden gebraucht!

  2. Wolfsrabe sagt:

    Polen macht in Sachen Flüchtlingspolitik alles richtig. In der Außenpolitik aber (NATO und Rußland) alles falsch.
    Zumindest ist das meine Sicht.

  3. Turbo sagt:

    Tja, wir leben in postdemokratischen Zeiten, denn das was da im US-Polen abgeht, sind faschistoide Methoden! Andersdenkende werden schikaniert, diskriminiert und dämonisiert. Und da wundert sich dieses US-hörige NWO-Pack noch über unsere zu erwartenden Reaktionen: actio = reactio!

  4. Mark sagt:

    Weiß man schon, ob man ihm irgendwelche (zurechtgestrickten!) Anklagepunkte ans Bein binden will? – zwecks Zurschaustellung in möglichen Gerichtsprozessen?

    Oder war es ein Warnschuss seitens des vorherrschenden Systems? Für Piskorski und andere Vertreter der Medienzunft? Frei nach dem Motto „Schlag einen und erziehe Hundert“…

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