Brüssel. Die NATO, die sich beim weltweiten Kräftemessen mit aufstrebenden Großmächten wie Rußland und China ehrgeizige Ziele gesteckt hat, ist möglicherweise auf dem besten Weg zum Papiertiger. Denn: 2014 erfüllte kein einziges Land alle neun Vorgaben, mit denen die NATO die Bündnisleistungen ihrer Mitgliedstaaten mißt.
Das geht aus einer vertraulichen Übersicht hervor, die dem „Der Spiegel“ vorliegt. Demnach ist jedes NATO-Land verpflichtet, dem Militärbündnis einen bestimmten Anteil seiner Streitkräfte zur Verfügung zu stellen – also Mannschaftsstärke, Flugzeuge, Schiffe, Landfahrzeuge oder Personal für die NATO-Stäbe.
Die entsprechenden Output-Kennziffern werden geheim gehalten. Doch aus der Übersicht geht hervor, daß nicht einmal die USA alle Kriterien erfüllten, zusammen mit Großbritannien, Dänemark, Deutschland und Norwegen aber zumindest in der Spitzengruppe rangierten. Rumänien und Litauen schafften demnach keine einzige Vorgabe.
Polen, dessen Wehretat in der Relation zur Wirtschaftsleistung über den von der NATO geforderten zwei Prozent liegt, lag 2014 beim Output dennoch nur in zwei Kategorien im grünen Bereich. Befunde wie dieser rechtfertigen ernüchternde Analysen über Schlafkraft und Einsatzfähigkeit der NATO-Streitkräfte. Erst kürzlich hatten zwei hohe NATO-Generäle der „Financial Times“ gegenüber die Schlagkraft der neuen „Speerspitze“ des Bündnisses im Baltikum massiv angezweifelt. (mü)