Zerstörerische Folgen – Massenansturm auf Europa vom Westen mitverursacht

6. Dezember 2015
Zerstörerische Folgen – Massenansturm auf Europa vom Westen mitverursacht
International
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Foto: Symbolbild

Massenansturm auf Europa: Folgen einer verfehlten Politik, die der Westen mitzuverantworten hat 

Ende April gab Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in der Welt am Sonntag ein Interview, das aus verschiedenen Gründen bemerkenswert ist. Müller erklärte unter anderem, daß Europa Afrika „viel zu lange mit ausgebeutet“ habe und daß es Zeit werde, den „afrikanischen Produzenten faire Preise“ zu zahlen, und daß sich die Marktverhältnisse ändern müßten. Europa, so Müller, gründe seinen Wohlstand auf der „Ausbeutung Afrikas“. Erstaunlich an diesem Interview bleibt, daß diese Worte von einem CSU-Politiker stammen und nicht von einem Exponenten der politischen Linken, in deren Reihen so gern von „Ausbeutung“ die Rede ist.

Die Umstände der „Ausbeutung“, die Müller im Auge hat, sind allerdings erläuterungsbedürftig. Ausgangspunkt waren in den 1980er Jahren einmal wieder die US-dominierten Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF), die die Entwicklungsländer drängten, ihre Märkte für Agrarprodukte aus aller Welt zu öffnen. Die Liberalisierung des Agrarhandels, so ihre Propaganda, schaffe Wohlstand. Es trat dann das ein, was zu erwarten war: Die afrikanischen Märkte wurden mit Billignahrungsmitteln aus dem Westen überschwemmt und die heimischen Erzeuger mehr und mehr vom Markt gefegt. Das ist dramatisch für einen Kontinent, auf dem zirka 60 Prozent der Bevölkerung von Landwirtschaft leben. Verschärfend kam in der Folge die Agrarpolitik der EU hinzu, die lange Zeit mit hochsubventionierten Nahrungsmitteln eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzte, die heimischen Bauern keine Chance ließ. Die subventionierten Fangflotten der EU – insbesondere aus Spanien – fischten obendrein die reichen Fanggründe vor der westafrikanischen Küste so gut wie leer. Den einheimischen Fischern mit ihren im Vergleich zu diesen hochtechnisierten Trawlern archaisch anmutenden Booten (Pirogen) ist so gut wie nichts mehr übriggeblieben.

Zwar versucht die EU seit einiger Zeit, immer gebremst von der einflußreichen Agrarlobby, ein wenig gegenzulenken; dazu ist es aber längst zu spät: Vielen Fischern und Bauern ist bereits die Existenzgrundlage entzogen worden. Hinzu kommen nun illegal fischende Trawler aus China, Rußland oder anderswo, die den Fischgründen den Rest geben. Tetteh Hormeku vom „Netzwerk Dritte Welt“ hat diese Vorgänge selbst erlebt; in einem Bericht der in Oxford ansässigen Hilfsorganisation Oxfam wird er wie folgt zitiert: „Ich komme aus einem kleinen Fischerdorf in Ghana. Meine Familie hat ihren Lebensunterhalt mit der Fischerei verdient, aber die Fischerei ist unmöglich geworden, seitdem größere europäische Fischereiflotten gekommen sind und unsere Meere leer gefischt haben. Ähnliches ist bei Geflügel passiert. Importe von tiefgekühlten Hähnchenflügeln aus der EU haben den lokalen Markt zerstört.“ Die Pirogen im übrigen, mit denen die Westafrikaner mit archaischen Methoden auf Fischgang gehen (oder besser gingen), werden nun, da es kaum mehr Fische zu fangen gibt, immer häufiger an Schlepper verkauft.

Die Auswirkungen der Politik von IWF, Weltbank und auch EU müssen im Gesamtbild gesehen werden, in das auch einzugehen hat: die Auswirkungen des „Land Grabbing“ (Landraub), also des Aufkaufs großer Agrarflächen durch internationale Konzerne, was in etlichen Ländern Afrikas den Zugang zu Nahrung zumindest erschwert, wenn nicht dramatisch verschärft hat. Land sei „so knapp wie noch nie in der Geschichte, aus diesem Grund greifen nun die Konzerne darauf zu“, urteilt der Innsbrucker Wirtschaftshistoriker Josef Nussbaumer. Investitionen in Land seien „derzeit die beste Anlage, viele sinnvoller als Gold oder Erdöl“.

Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs an Akkerflächen aufgrund einer ständig wachsenden Weltbevölkerung zu sehen. Und natürlich ist auch, mit Blick auf den Mittleren Osten, auf die Auswirkungen westlicher Inter ventions- und Destabilisierungspolitik (Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien usw.), angeführt meist durch die westliche Führungsmacht USA, zu verweisen, deren seismische Erschütterungen bis tief in den afrikanischen Kontinent reichen. Der Islamexperte Michael Lüders merkte dazu in seinem Buch Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet (München 2015) an: „Zerfällt die staatliche Ordnung im Nahen und Mittleren Osten insgesamt, so wie Jugoslawien zerfallen ist? […] Neue Konzepte wären gefragt, aber westliche Demokratien produzieren wenig mehr als larmoyante Betrachtungen über den Niedergang der liberalen Weltordnung oder die zögerliche Rolle der USA als Weltpolizist.“ Dieser „Weltpolizist“ habe „wesentlich dazu beigetragen“, daß die Feinde des Westens überhaupt erst erschaffen wurden. Ein Großteil der „Flüchtlinge“ kommt aus ebendiesen Staaten und drängt jetzt nach Europa, insbesondere aber in die Bundesrepublik Deutschland, nach Österreich und Schweden, die ihnen finanziell die lukrativsten Anreize bieten.

Um hier keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Das alles spricht die vielfach korrupten „Eliten“ Afrikas, die in erster Linie in ihre und die Taschen ihrer Clans wirtschaften, in keiner Weise von ihrer Verantwortung frei (sofern sie dieses Wort überhaupt in ihrem Vokabular haben). Drastische Beispiele hierfür sind Ghana und Nigeria, die vor gar nicht so langer Zeit als durchaus wohlhabende Staaten galten, dann aber heruntergewirtschaftet wurden. Allein in Nigeria sollen korrupte Politiker seit 1969 eine halbe Billion US-Dollar beiseite geschafft haben. Ein Armutszeugnis ist auch das weitgehende Schweigen der sogenannten Afrikanischen Union (AU), die außer Schuldzuweisungen an den Westen nichts Erhellendes zum beispiellosen Massenexodus auf ihrem Kontinent zu sagen weiß. Mehr denn je gelten die Worte, die Daniel Etounga-Manguelle, der an vielen Entwicklungshilfeprojekten in Afrika beteiligt ist und auch als Berater für die Weltbank gearbeitet hat, den afrikanischen Potentaten ins Stammbuch geschrieben hat: „Wir müssen bis ins Innerste unserer Moralvorstellungen und Gebräuche vorstoßen, um jene Schlammschicht abzutragen, die unseren Gesellschaften den Weg in die Moderne verlegt.“ Er empfiehlt, sich Europa zum Vorbild zu nehmen: „Wenn es Europa, diesem Teilstück der Erde, das nur einen winzigen Bruchteil der Menschheit verkörpert, gelungen ist, sich dem Planeten aufzuzwingen, ihn zu dominieren und zum ausschließlichen Vorteil Europas zu organisieren, dann nur darum, weil Europa eine siegreiche Kultur der Arbeit und Disziplin entwickelt hat.“ Genau das müßte nun Afrika leisten – und Europa täte gut daran, diesen Weg zu unterstützen.

Dessenungeachtet wird man um den Befund nicht herumkommen, daß der Westen ein Gutteil an Mitverantwortung für die nicht enden wollenden Flüchtlingsströme trägt. Die insbesondere durch die USA aufgrund ihres Einflusses in den Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank, aber auch von der EU global durchgesetzte Freihandelspolitik – die mit Blick auf Afrika vor allem dem Westen Vorteile verschafft hat – wendet sich nun in dramatischer Art und Weise gegen die Wohlstandszonen in Europa. Aktuelles Beispiel hierfür ist das im Herbst letzten Jahres vereinbarte Freihandelsabkommen (EPA) zwischen der EU und der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC). Das soll einmal wieder „Vorteile für alle“ bringen und die Integration Ostafrikas in die EU voranbringen. In Kenia hingegen redet man von „Erpressung“.

Es geht die Angst um, daß die heimische Landwirtschaft als wichtigster Wirtschaftszweig nicht gegen die niedrigeren Preise des subventionierten Obstes und Gemüses aus der EU konkurrieren kann. Gleichzeitig soll die EAC alle Importzölle über die nächsten 15 Jahre abschaffen. Allein Kenia würde dadurch nach Schätzungen eines heimischen Wirtschaftsinstituts weit über 100 Millionen Euro jährlich verlieren. Geld, das dem Land für wichtige Projekte fehlt. Weil Kenia sich nicht willig zeigte, verhängte die EU umgehend Zölle auf kenianische Waren – von 8,5 Prozent bis weit über 30 Prozent. Kurze Zeit nach diesen Maßnahmen unterschrieb auch die kenianische Regierung das Freihandelsabkommen. Es half nichts, daß Wirtschaftsexperten, etwa der Vereinten Nationen, in dem Abkommen keine Chance für die Ostafrikaner sehen, wie die EU-Propaganda glauben machen wollte, sondern langfristig sogar eine Bedrohung durch die europäischen Märkte. Die Schweizer Wochenzeitung kommentierte unter der bezeichnenden Überschrift „Abkommen, die Afrika seiner Chancen berauben“: „Während in Europa lautstark Kritik am europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP [Transatlantisches Freihandelsabkommen] geübt wird, werden afrikanische Länder von der EU zur Öffnung ihrer Märkte gedrängt. Die Folgen sind dramatisch.“

Es sind Verträge wie diese, die mittel- bis langfristig Migrationswellen nach Europa provozieren. Mit der Errichtung von Mauern oder der Wiedereinführung von Grenzkontrollen werden sich die tiefgreifenden Verwerfungen, die Auslöser des Massenexodus sind, nicht eindämmen lassen. Die Vorgänge an der spanischen Exklave Melilla lehren, daß keine noch so hohe Mauer und keine noch so gesicherte Grenzanlage unüberwindbar sind. Zu groß ist die Attraktivität Europas, als daß derartige Befestigungen eine die Migration eindämmende Wirkung entfalten könnten. Entwicklungsminister Müller hat schon recht, wenn er feststellt, daß das „alte System vom reichen Europa und dem armen Afrika“ keine Zukunft habe. Über den Markt könnten, so Müller, Milliardensummen nach Afrika geleitet werden, „ohne daß das unseren Wohlstand in Europa schmälern würde“. Diese Milliarden wären, auch mit Blick auf das stark steigende Bevölkerungswachstum in Afrika, gut investiertes Geld gewesen. Es steht aber zu befürchten, daß diese Option verpaßt wurde. Nun werden Milliarden und Abermilliarden für die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlingsströme (und möglicherweise auch für deren „Integration“) investiert, ohne daß sich an den Ursachen etwas ändert.

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht darum, Europa ein weiteres Mal auf die Anklagebank zu setzen, sondern darum, über die Ursachen der aktuellen Fluchtbewegungen bzw. von Armut Klarheit zu gewinnen, um effektive Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Das wurde sogar noch von einer Seite an gemahnt, die in der Regel in diesem Zusammenhang als nicht urteilsfähig hingestellt wird, nämlich von der NPD in Gestalt ihres EU-Abgeordneten Udo Voigt, der in einem Interview mit dem österreichischen Wochenmagazin Profil erklärte: „Man muß die Ursachen von Migration bekämpfen. Und die Ursache liegt bei dem Großteil der Migranten […] in der Armut. Diese Armut sollte massiv bekämpft werden.“ Voigt schlug in diesem Interview sogar eine „Migrationsabgabe“ vor, die nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ in den Heimatländern der Migranten eingesetzt werden sollte.

Eine „Migrationsabgabe“ kann natürlich nur ein Teil eines Maßnahmenbündels sein. Es muß im weiteren um eine grundsätzliche Neujustierung westlicher Politik gehen. Dazu gehört der Abschied von einer global durchgesetzten Freihandelspolitik, die auf nationale wirtschaftliche Besonderheiten keine Rücksicht nimmt, genauso wie die Abkehr von einer Interventionsund Destabilisierungspolitik, meist durch eine von den USA angeführte „Koalition der Willigen“, die nichts anderes als „failed states“ zurückläßt, deren Instabilität nun zur Bedrohung für Europas Zukunft wird. Das Unrechtsbewußtsein für diese Politik ist im Westen nicht sonderlich ausgeprägt, was der bereits zitierte Michael Lüders wie folgt erklärt: „Die Deutschen sind Weltmeister der Erinnerungskultur, aber wie die meisten Europäer können sie sich nicht vorstellen, daß der Westen Unrecht begeht.“

Die Bedrohung Europas durch Massenzuwanderung wird durch die Anreize, die der Westen bietet und von denen er, siehe Deutschland, nicht abrücken will, weiter geschürt: Der renommierte Oxford-Ökonom Paul Collier hat es in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit als „paradox“ bezeichnet, daß wir einerseits Entwicklungshilfeprogramme unterhielten, andererseits aber eine Politik akzeptierten, „die diesen Ländern schadet“. Collier meinte damit die Auswirkungen des Massenexodus auf die armen Länder, denen ein Gutteil qualifizierter Personen verlorengeht. Daß Abwanderungswillige ihr Leben riskieren, um in den Westen zu kommen, sieht Collier in den Anreizen begründet, die der Westen anbietet. Die Migranten wüßten, daß sie „viel mehr Rechte“ bekämen, sobald sie es „an den Strand von Lampedusa geschafft“ haben. Dieses Versprechen locke „die Menschen in die Boote“. „Wir drücken“, so Collier, „den Menschen den geladenen Revolver in die Hand und sagen: Komm, spiel Russisch Roulette. Das ist keine moralisch robuste Position“. Und „ganz nebenbei“ fördert der Westen eine „gewaltige kriminelle Industrie, die sich auf die Schlepperei von Flüchtlingen spezialisiert hat“.

(…)

Demgegenüber plädiert Collier dafür, sich um die zu kümmern, die nicht Tausende von Dollar aufbringen könnten. Hier laufen die Argumente von Voigt und Collier zusammen. Die beste Eindämmung der Massenmigration liegt in einer Politik, die den Massen in den Abwanderungsländern eine Perspektive auf ein halbwegs gesichertes Leben in einem stabilen Staat eröffnet. Dazu gehört auch, daß Europa und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Schweden die Anreize für Zuwanderung bis hin zu einer Novellierung des von Hunderttausenden zu Unrecht in Anspruch genommenen Asylrechtes endlich drastisch reduzieren. Denn nur so lassen sich die Menschen in den Ländern halten, in denen sie gebraucht werden, um dort die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Außenpolitisch kann das Ziel nur lauten, daß sich Europa endlich von der westlichen Führungsmacht USA und deren geostrategischen Zielen unabhängiger macht. Die Kollateralschäden dieser Politik hat nämlich zu einem guten Teil Europa zu tragen; nun in Form einer Massenzuwanderung, die die über Jahrtausende gewachsene Identität Europas auslöschen könnte. Es ist aus deutscher Sicht höchste Zeit, in der für Europa und Deutschland schicksalhaften Migrationsfrage die angeblich „alternativlose“ Politik des „Merkelns“ zu beenden, wenn Deutschland die Heimat der Deutschen bleiben soll. „Merkeln“ ist das „Jugendwort“ des Jahres 2015 und steht für Nichtstun und keine Entscheidungen treffen. (Georg Kutowski)

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