Buchbesprechung: „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq

12. Juni 2015
Buchbesprechung: „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq
Kultur & Gesellschaft
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Foto: Symbolbild

Der Ich-Erzähler des Romans heißt François und ist Professor für Literaturwissenschaft an einer Pariser Universität. Er ist ein Mann in mittleren Jahren, bindungsunfähig und mit häufig wechselnden Liebschaften, der seinem Beruf ohne erkennbaren Enthusiasmus nachgeht.

Doch immer öfter macht er Beobachtungen, die ihn – wenn auch nur kurz – irritieren: Burka-Trägerinnen im Seminar, junge, kräftige und durchaus höfliche Burschen auf dem Campus, die keine Studenten sind, dafür wie Wachpersonal wirken, das Verschwinden von Bettlern und Drogenhändlern sowie des Verbandes jüdischer Studenten vom Gelände der Universität. Bewaffnete Zusammenstöße häufen sich, zuerst an der Peripherie, dann in Paris selbst. Die Medien schweigen darüber. Als dann nach dem Wahlsieg eines Islamisten ein neuer Präsident die Universität übernimmt, werden alle Frauen entlassen – und auch François. Dieser versucht, wieder eingestellt zu werden, wobei er – und andere männliche Kollegen – den neuen Machthabern nach dem Munde redet. Längst geht es den Menschen nicht mehr um „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, sondern um „Geld, Karriere und Sex“. Und dafür unterwerfen sie sich bereitwillig. Die französische Ausgabe des Buches erschien an dem Tag, als islamistische Terroristen die Redakteure einer Satire-Zeitschrift massakrierten. Houellebecq hielt es danach für besser, einige Wochen unterzutauchen. Obwohl sein Roman im Jahr 2022 spielt, ist dessen Aktualität bedrückend. Der Autor beschreibt die gesellschaftlichen Eliten als Opportunisten, die all die hehren Werte, für die sie vorgeben einzutreten, bedenkenlos ihrem gierigen Hedonismus opfern. Der Roman ist keineswegs islamophob, sondern eine ätzende Abrechnung mit der „liberalen Gesellschaft“, die vor den Brandstiftern warnt und übersieht, daß diese längst ins Haus eingedrungen sind. (cp)

Michel Houellebecq. Unterwerfung. 272 S., geb., € 22,99. Köln: DuMont Buchverlag, 2015.

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