Berlin/Brüssel/Washington. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt (CSU), nahm im Dezember in Washington an einer Konferenz über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) teil.
Dabei machte er gegenüber dem US-amerikanischen Landwirtschaftsminister Tom Vilsack Zugeständnisse zu Lasten der deutschen und europäischen Verbraucher. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit hat aus den landläufigen „Qualitätsmedien“ davon allerdings nicht allzu viel erfahren. Dem „Spiegel“ gegenüber äußerte Schmitt allerdings, daß man „nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen“ könne. Dafür erntete er Kritik aus Wirtschaft und Politik.
So forderte der Hauptgeschäftsführer der Spitzenverbände der deutschen Lebensmittelwirtschaft, Christoph Minhoff, in der „Bild“-Zeitung, daß regionale Spezialitäten auch regionale Spezialitäten bleiben müßten: „Wir wollen keine Original Nürnberger Rostbratwürstchen aus Kentucky.“ Auch die Landesagrarminister vom Koalitionspartner SPD stimmen dem zu.
Jedoch vermutet der Bauernverband in der Debatte um Spezialitäten und bürokratischen Bezeichnungsschutz ein Ablenkungsmanöver des CSU-Ministers. „Das wirklich entscheidende Problem, das zu lösen ist, sind gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Erhaltung unserer Produktionsstandards“, sagte Verbandssprecher Michael Lohse der „Passauer Neuen Presse“. Europa habe an dieser Stelle höhere Anforderungen bei der Erzeugung.
Die Vermutung des Bauernverbands, daß mehr hinter den Äußerungen des Ministers Schmidt stecken könnte, ist nicht unbegründet. US-Agrarminister Vilsack ist nämlich für seine guten Beziehungen zum Monsanto- Konzern, dem weltgrößten Anbieter von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), bekannt.
In Deutschland müssen Lebensmittel, die mehr als 0,9 Prozent Gentechnik-Produkte enthalten, gekennzeichnet sein. Das Gesetz wurde durch eine starke Lobby in Deutschland erwirkt. In den USA dagegen gibt es keine Gesetze, die die Verbraucher vor Gentechnik-Produkten schützen.
Schon seit Jahren trachten Lobbyisten von US-Gentechnik-Firmen – allen voran Monsanto – danach, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU auszuhebeln. 1992 überzeugte Monsanto den damaligen US-Präsidenten George Bush, Genmais, Gensoja und anderes patentiertes Saatgut für den Handel freizugeben, ohne die amerikanischen Verbraucher darüber zu informieren, daß sie ungetestete GVO enthielten.
Auf einer Pressekonferenz zum Auftakt der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin sagte Schmidt am 15. Januar, die europäischen Standards seien bei den TTIP-Verhandlungen „unverhandelbar“. Bislang hätten diese in keinem Abkommen zur Disposition gestanden. Als besonders sensible Bereiche nannte der Minister den Einsatz von Hormonen in der Tierhaltung, Klonen und die Gentechnik-Kennzeichnung.
Schmidt legte in der Wochenzeitung „Die Zeit“ dar, welche Kennzeichnungsstandards für Gentechnik sich die US-Regierung im Freihandelsabkommen TTIP vorstellen könnte: „Verbraucher scannen einfach mit ihrem Handy den Barcode des Produkts – und wenn das Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile enthält, wird das via App angezeigt.“ Sogar „Die Zeit“ nannte Vilsacks Vorschlag, den Schmidt so begrüßte, „ein lausiges Angebot“. Stephan Richter, der deutsch-amerikanische Herausgeber des Blogs „The Globalist“, schreibt: „Nach dem Willen unserer amerikanischen Alliierten müßten alle Europäer von jetzt an nicht nur ein Smartphone haben, sondern dürften es auch nie vergessen, wenn sie im Supermarkt die Informationen finden wollen, nach denen sie suchen.“
Allerdings ist Schmidt offenbar bereit, „Kompromisse“ mit der nicht kompromißbereiten US-Regierung einzugehen. Zbigniew Brzezinski stellte schon 1997 fest, daß Deutschland immer noch weitgehend Washingtons „Vasall“ sei, was Schmidt mit seinem devoten Verhalten gegenüber dem US-Landwirtschaftsminister eindrucksvoll einmal mehr bestätigt hat. (ds)